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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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durchbrochen wurde.
Als ob er begriffen hätte, daß dieser Bau architektonisch eine
Katastrophe war, hatte der Gestalter erst gar keinen Versuch
mehr unternommen, das Gesamtbild durch umliegende
Grünanlagen oder Gärten etwas zu mildern.
    Anne ging es wie den meisten der Angestellten: Sie nahm
das Gebäude schon längst nicht mehr zur Kenntnis. Und die
meisten Leute, die daran vorbeigingen, wußten nicht einmal,
daß sich darin die Büroräume einer der bedeutendsten Zeitungen der Stadt befanden. Falls man endlich einmal damit
beginnen würde, den Park, der an dieser Stelle entstehen sollte,
anzulegen, mußte das Gebäude abgerissen werden. Und
niemand würde es dann vermissen.
    Anne fuhr auf den letzten freien Parkplatz und huschte unter
dem Regen hindurch zum Eingang. Durch die erste der beiden
Doppeltüren gelangte sie in ein winziges Foyer. Sie winkte
dem Portier hinter dem Schalter zu, schüttelte sich ein paar
Regentropfen von ihrer Jacke und drückte beim Ertönen des
Summers die zweite Tür auf. Als ob Terroristen auf die Idee
kämen, hier einzudringen, dachte sie und nickte dem Portier
auf ihrem Weg zu den Aufzügen zu. Wie konnte nur jemand
glauben, daß wir so bedeutend sind?
    Sie drückte auf den Schalter des Aufzugs, hatte schon eine
spöttische Bemerkung für den Portier auf den Lippen, daß in
der nächsten Minute wie immer keine Kabine käme, und war
angenehm überrascht, daß sich eine der Türen sofort öffnete.
Im dritten Stock herrschte das übliche Chaos, und Anne
brauchte fast fünf Minuten, bis sie sich zu ihrem Schreibtisch
durchgekämpft hatte. Ein halbes Dutzend Leute gaben Kommentare zu ihrem Artikel ab, ein weiteres halbes Dutzend
erkundigte sich nach Glens Befinden. Nachdem sie endlich
ihren Schreibtisch erreicht hatte, flimmerten Buchstaben über
den Monitor ihres Computers, die sie darüber informierten, daß
dreiundzwanzig unbeantwortete interne Anfragen und weitere
zweiundvierzig externe auf ihrem Anrufbeantworter auf sie
warteten.
    Mitten auf ihrem Schreibtisch – garantiert nicht zu übersehen
– lag eine Nachricht ihrer Chefredakteurin. In großen
schwarzen Buchstaben war kurz und knapp wie immer darauf
gekritzelt:
    KOMM IN MEIN BÜRO – VIV.
Sie legte ihre Handtasche in die unterste Schublade des
Tisches, hängte ihre Jacke am Kleiderständer auf, dann eilte sie
in das Büro ihrer Chefin. Während die sich scheinbar mit
jemandem am Telefon herumstritt, deutete sie mimisch an, daß
Anne sich setzen und sich eine Tasse Kaffee nehmen sollte. Sie
überflog kurz die verstreut herumliegenden Papier auf dem
Tisch der Chefredakteurin, wobei ihr ihre Fähigkeit, von oben
nach unten und rückwärts lesen zu können, zugute kam.
Zumindest, so erkannte sie, befand sich unter all dem
Durcheinander auf Vivian Andrews Schreibtisch keine formelle Beschwerde über sie.
»Ich weiß, was du treibst, und ich finde, es ist reichlich
unverschämt, wenn nicht sogar illegal«, begann Vivian, nachdem sie aufgelegt hatte. »Willst du alles lesen oder dich lieber
erst mal setzen?«
Anne betrachtete den miserabel gefederten Stuhl mit
Mißfallen und ging nicht auf die Frage ein. »Ich hab’ dein ausführliches Schreiben bekommen. Worum geht’s?«
Vivian Andrews wühlte in dem Chaos auf ihrem Pult, holte
ein Exemplar der Morgenausgabe hervor und schlug Annes
Artikel auf. Sie tippte bedeutungsvoll mit einem ihrer
leuchtendrot lackierten Fingernägel darauf und sah Anne
unverwandt an. »Wie du siehst, hab’ ich alles genauso weitergegeben, wie du es gestern nacht diktiert hast. Inzwischen
bist du wieder von der Hinrichtung zurück. Wenn es stimmt,
daß Tote keine Geschichten erzählen, wie es so schön heißt,
frage ich mich, wie lange du eigentlich noch dieser Schimäre
hinterherjagen willst. Und wann gedenkst du, dich endlich mal
wieder mit etwas Neuem zu befassen?« Sie lehnte sich zurück
und warf Anne einen schelmischen Blick zu. »Und wenn ich
etwas ‚Neues’ sage, denke ich dabei an eine Geschichte, die
sich innerhalb der letzten sechs Monate ereignet hat. Wie sieht
es damit aus?« Wenn Vivian ihre Bemerkungen mit einer
Frage abschloß, war das stets der Beweis dafür, daß sie
ziemlich ungeduldig war.
»Wie lange habe ich dafür Zeit?« entgegnete Anne.
Vivian legte die Fingerspitzen gegeneinander, stützte ihr
Kinn darauf und dachte darüber nach. »Nicht viel. Sie haben
schon wieder den Etat gekürzt, und wir müssen uns schon nach

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