Blizzard-Fehde
fragte ich: »Wohin führst du uns, Biberzahn?«
»Ja, das möchte ich auch wissen«, sagte Luke heiser.
Biberzahn ließ ein glucksendes Geräusch hören, welches fast wie ein Lachen klang. Dann rief er uns durch den dichten Schneefall zu: »Wohin? Oho, wohin wohl, ihr Brennan-Brüder? Zur Hauptranch natürlich!«
Nun wussten wir es endlich.
Luke stieß einen zufriedenen Ruf aus und fügte hinzu: »Biberzahn, du bist ein Bursche nach meinem Herzen.«
»Aber wir werden gegen den Blizzard kämpfen müssen«, erwiderte Biberzahn.
Da hörte ich meinen Bruder Luke laut lachen und ihn dann rufen, so als wollte er den Blizzard und überdies noch die ganze Welt herausfordern: »Ho, wer aufhört zu kämpfen, ist ein Hurensohn!«
Wir ritten weiter. Biberzahn führte. Ihm folgte Luke. Ich ritt zuletzt. Unsere ausgespannten Lassos blieben stets stramm. Ich konnte Biberzahn nicht sehen, und manchmal verschwand auch Luke im Schneefall.
Plötzlich aber änderte sich alles.
Sturm jagte uns nun den Schnee entgegen. Wir waren durch die erste Schneewand hindurch, die wie ein Windschutz gewirkt hatte. Nun traf uns der orgelnde Schneesturm mit voller Wucht. Wir mussten dagegen ankämpfen.
Manchmal tauchten wir in Senken ein, dann wieder ritten wir im Schutze von Hügelketten oder Bodenwellen – manchmal in Creekbetten.
Wir wunderten uns nur immer wieder, dass Biberzahn offenbar stets genau wusste, wo wir uns befanden und wie das Gelände jeweils beschaffen war.
Und so folgten wir ihm vertrauensvoll.
Aber dennoch war es für Luke und mich ein verdammt harter Kampf. Denn wir froren in den Sätteln fest. Die Kälte kroch von den Füßen unsere Beine hoch, und obwohl wir uns mit Wollschals die Hüte festbanden und von unseren Gesichtern kaum etwas zu sehen war, prügelte uns dieser Blizzard gnadenlos.
Wir mussten unsere Tiere nicht antreiben. Irgendwie schienen sie instinktiv zu ahnen, dass wir zu einem guten Schutz ritten.
Ich verlor jedes Gefühl für die Zeit und wusste nicht, ob wir schon lange geritten waren.
Plötzlich hielten wir an. Mir wurde bewusst, dass wir in einem Windschatten verhielten. Dann sah ich die Wand eines Gebäudes, an die sich mein Pferd mit der Schulter lehnte und an die es mein Bein drückte, dessen Fuß sich ja noch im Steigbügel befand.
Diese Wand musste zu einer Scheune gehören, denn sie war höher als eine Stallwand. Es musste eine sehr große Scheune sein.
Langsam rutschte ich steif und fast erfroren aus dem Sattel. Ich wusste, Biberzahn hatte uns zur Bourdelle Ranch geführt.
Wir waren am Ziel.
* * *
Wenig später waren wir in der Scheune, und obwohl es auch hier noch sehr kalt war, kam uns die Temperatur sehr warm vor. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir wieder aufgetaut waren und sich dieses Kribbeln bis in die Zehen bemerkbar machte, wir auch endlich wieder Gefühl in die Hände und klammen Finger bekommen hatten.
Wahrscheinlich hatten wir uns nichts erfroren.
Luke krächzte und hustete erst noch eine Weile und sprach dann heiser: »Nun sind wir also in der Burg des großen Kings. Und er ist irgendwo dort draußen im Blizzard und sucht nach uns. Das gefällt mir.«
Biberzahn schüttelte den Kopf. Wir konnten es sehen, denn wir hatten zwei Stalllaternen angezündet, an denen wir uns die Finger wärmten. Er sagte: »Der sucht jetzt längst nicht mehr nach uns. Der hat sich mit seinen Reitern irgendwo verkrochen, wahrscheinlich in der Grenzhütte eines Creeks, den wir Indianer den Crow Creek nennen, weil dort stets viele Krähen leben. Der kommt nicht her, bevor der Blizzard gestorben ist. Und selbst wenn kein Schnee mehr fällt, wird das Land für lange Zelt unpassierbar sein. Nur mit Schneetretern käme man mühsam vorwärts in diesem tiefen Schnee, nicht mit Pferden. Auch wir sitzen hier wahrscheinlich für viele Tage und Nächte fest.«
Wir dachten über seine Worte nach. Draußen heulte und brüllte der Schneesturm, dem wir entronnen waren – oder besser gesagt, entrinnen konnten, weil Biberzahn uns unbeirrbar zu diesem Ziel führte.
Wir saßen jetzt auf King Ernest Bourdelles Ranch, mitten in seinem Hauptquartier – und er musste dort draußen in einer kleinen Grenzhütte diesen Blizzard gewissermaßen »aussitzen«.
Das gefiel uns. Und so begannen Luke und ich schallend zu lachen.
Sogar Biberzahn grinste.
Er hatte sich seine drei Adlerfedern aus dem Haar gezogen und in die Schäfte seiner kniehohen Wintermokassins geschoben. So konnte er sich die
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