Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
suchte.
Es war zwanzig nach zehn, die Geschäfte somit geschlossen. Ich rief das Pizza-Taxi an, dessen Speisekarte Sabine mir an den
Kühlschrank gepinnt hat.
»Hier ist die Pizza-Ambulanz, ich sage Ihnen gleich, dass wir im Moment Wartezeiten von ungefähr einer Stunde haben«, meldete
sich eine eindeutig gestresste Stimme am Telefon.
»Bis dahin bin ich verhungert«, entgegnete ich und legte auf.
»Dann also Thunfisch«, erklärte ich Sergeant Pepper, der mich freundlich ansah. Ich musste unbedingt einkaufen gehen.
»Wenn du mit den Fingern schnippen und in einem ganz anderen Leben aufwachen könntest, wie sollte das aussehen?«,fragte ich Jasmin, die mich am nächsten Tag um sechs Uhr dreißig aus dem Bett geklingelt hatte. Sie kam aus Istanbul und hatte
zwei Tage frei. Natürlich hatte sie mir einen ganzen Stapel Fashion-Magazine mitgebracht. Ich dachte darüber nach, mich mal
wieder um einen Job zu bewerben. Immerhin hatte ich in den nächsten Wochen ausreichend Zeit dazu.
»Genau so«, sagte Jasmin.
»Genau wie?«, fragte ich zurück.
»So, wie mein Leben eben aussieht.«
Ich starrte sie an. »Aber es muss doch irgendetwas geben, das du ändern würdest«, drängte ich. Etwas anderes konnte ich mir
nicht vorstellen. Ich selbst hatte mich in den letzten zwei Jahren bei mindestens zehn Hochglanzmagazinen beworben, um endlich
aus dem Flieger herauszukommen. Redaktionsassistentin, Sekretärin, Sekretariatsassistentin, Büroassistentin, fast alles würde
ich machen, um der bunten und schillernden Welt, die mir als treue Leserin so vertraut ist, ein bisschen näherzukommen. Aber
ohne passende Ausbildung, einschlägige Erfahrung oder einer klitzekleinen Beziehung konnte man offenbar nicht einmal Klofrau
in einer Redaktion werden.
Sie überlegte. Zuckte mit den Schultern. Grinste verlegen. »Na ja … Es gibt da schon was.«
»Na, also.« Ich setzte mich gespannt auf. Jetzt würde sie mir ihren heimlichsten Wunsch verraten. Vielleicht bewarb sie sich
auch schon lang in einer anderen Branche? Oder sie würde gern heiraten und zwölf Kinder bekommen? Oder …
»Was denn nun?«, fragte ich ungeduldig, da sie sich offenbar immer noch genierte.
»Ich hätte gern kleinere Füße.«
Ich glaubte, mich verhört zu haben.
»In Schuhgröße zweiundvierzig gibt es einfach keine richtig schicken Schuhe …«
Jetzt starrte ich sie mit offenem Mund an. »Und das ist das Einzige, was du in deinem Leben ändern möchtest?«
»Yep.«
»Und sonst bist du zufrieden? Mit deinem Aussehen, deinem Job, deinem Einkommen, deiner Wohnung, deiner Familie, deinen Arbeitszeiten,
deinen Freunden …«
»Meinen Lovern«, ergänzte sie grinsend. Sie rekelte sich auf Sabines Sofa und nippte an dem Eiskaffee, den sie mitgebracht
hatte.
War das jetzt beneidens- oder bemitleidenswert? Wer nach nichts strebt, wird auch nichts erreichen, hatte meine Grundschullehrerin
auf meine Erklärung, ich wolle später Königin von Spanien werden, geantwortet. Da sie mir, wie ich meinte, damit sowohl Verständnis
als auch Einverständnis signalisierte, habe ich dieses Ziel auch beim Test für die weiterführende Schule genannt. Schulkameraden
wollten Fußballspieler, Astronaut oder Ärztin werden, da war die Wahl der Schulform nicht so schwierig. Bei mir schaute die
Dame, der ich meinen Berufswunsch darlegte, etwas verkniffen. Ich durfte trotzdem aufs Gymnasium.
Jasmin jedenfalls war Stewardess und glücklich. Wenn auch der Job nicht so toll war, die Zufriedenheit war durchaus beneidenswert.
Und sie hatte sich viel Frust erspart. Ich hingegen konnte mich an fast jede Absage erinnern, die ich von hochnäsigen Redaktionssekretärinnen
bekommen hatte. Die Absage eines Magazins aus Düsseldorf war besonders gemein. Da ich offenbar keine der in einer Redaktion
benötigten Fähigkeiten besäße, würde man mir empfehlen, von weiteren Bewerbungen dieser Art abzusehen. Unterzeichnet von der
stellvertretenden Redaktionsleiterin Susan Walker. Diesen Namen hatteich mir gemerkt und mir vorgenommen, ihr, sollte sie jemals auf einem meiner Flüge sein, heißen Kaffee auf die Designerbluse
zu schütten. Und zwar eine ganze Kanne voll.
Jasmin rief mich mit einem übertriebenen Seufzer zurück in die Gegenwart. »Auf dem Flug hierher war ein total süßer Typ an
Bord. Mann, hat der mich angemacht. Ich habe ihm meine Visitenkarte in die Hemdtasche gesteckt. Ich bin sicher, er ruft mich
an.«
Jasmins
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