Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Visitenkarte war mit ihrem Foto, ihrem Vornamen und ihrer Handynummer bedruckt. Sie ließ davon etwa zweitausend Stück
pro Jahr drucken und verteilte sie entsprechend großzügig. Ein einziges Mal hatte sie einen unerfreulichen Anruf von einer
Ehefrau bekommen, ansonsten hatte sie immer Glück mit ihren Typen. Nie hat sie einer beschimpft, bedroht oder sich sonst wie
ungebührlich verhalten. Allerdings waren ihre Ansprüche auch nicht besonders hoch. Süß stand ganz oben auf der Liste. Außerdem
sollten sie locker sein, gern auch witzig und genauso bindungsscheu wie Jasmin. Geld, Status oder geistige Größe spielten
bei der Eignung keine Rolle.
Langweiler erkannte Jasmin auf den ersten Blick, auch Problemiker, Schwafler oder Verklemmte. Mit dieser Gabe hätte sie vermutlich
etliche hoch bezahlte Jobs haben können, aber offenbar – ich konnte es wirklich nicht glauben – mochte sie ihr Leben so, wie
es war.
»Warum fragst du?«, nuschelte Jasmin um den Strohhalm herum. »Hast du das Geheimnis der Muschel gelüftet und bietest mir einen
freien Wunsch an?«
Ich hatte Jasmin nie von meinen Bewerbungen erzählt und wollte es auch jetzt nicht tun, also schüttelte ich den Kopf. »War
nur so eine Idee.«
Um zehn Uhr war Jasmin weg, denn der süße Typ hatte tatsächlich angerufen und sie abgeholt. In einem uralten Volvo, dessen
letzte Autowäsche vermutlich noch fünf Mark gekostet hatte.
Sobald sie weg war, ging ich kurz mit Sergeant Pepper raus und dann wieder an Sabines Laptop. Ich begann mit einer Beschreibung
von Vancouver, berichtete über einen Vorfall auf der letztjährigen Fashion Week, als ein Model vom Laufsteg fiel, weil es
in den vier Tagen davor nichts gegessen und nur wenige Schlückchen getrunken hatte, und schwärmte über meine Lieblingsplätze:
die kleine Kaffeebar in Downtown, ein Seafood-Imbiss am Sound, das kleine Kino, das sich in den letzten Jahren zu einem Geheimtipp
entwickelt hat und in dem man gelegentlich Filmstars inkognito treffen kann. Dann noch ein paar Worte zum Whale Watching mit
ein paar tollen Fotos. Das war doch eigentlich nicht schwer.
Himmel, konnte es wirklich schon zwei Uhr sein? Mein Magen war eindeutig der Meinung, dass die Mittagszeit lang überschritten
war. Und ich hatte immer noch nicht eingekauft. Eine erneute Inspektion des Kühlschranks bestätigte, dass er nichts hergab,
um den brüllenden Hunger wenigstens kurzzeitig zu besänftigen. Ich griff nach der Hundeleine, nach einer Jacke, blickte in
den Spiegel neben der Garderobe und stellte fest, dass mein Outfit nicht gerade öffentlichkeitstauglich war. Aber ausnahmsweise
war mir das heute egal. Die Haare versteckte ich unter der Mütze, ein schnelles Make-up musste ausreichen, denn inzwischen
war mir fast schlecht vor Hunger.
Endlich war ich ausgehfertig und verließ mit Sergeant Pepper die Wohnung. Vor der Tür wusste ich nicht, ob ichmich nach rechts oder links wenden sollte. Wohin wollte ich überhaupt? In einen Supermarkt? Nein, denn bevor ich mit all den
notwendigen Lebensmitteln wieder in der Wohnung wäre und mir etwas gekocht hätte, wäre ich verhungert. Mindestens komatös
unterzuckert. Ich brauchte Futter, und zwar bald.
Ein köstlicher Duft umwehte meine Nase, und ich schloss die Augen. Knoblauch. Jede Menge. Und irgendwas mit Spinat. Bilder
von einem absolut himmlischen Risotto auf einer Piazza in Florenz tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Cremiger Reis mit
Scampis und frischem Spinat mit Sauerrahm und Knoblauch. Wie von einem Magneten angezogen, lief ich in die Richtung, aus der
der Duft kam, bog um die Ecke und – stand vor der Eckkneipe, in der ich am Tag zuvor verarztet worden war.
Reis mit Spinat, stand auf der Tafel neben dem Eingang. Und Frikadellen mit Kartoffelsalat.
Reis fünf Euro, Frikos vier.
Ich hasste Kneipen immer noch, vor allem tagsüber, wenn sie nach altem Rauch vom Vorabend stanken.
Mein Magen schlug Purzelbäume vor Verlangen.
Besonders hasste ich die Leute, die in Kneipen herumhingen. Meistens Männer, die Anschluss suchten. Ekelhaft, wie sie jede
Frau taxierten, die sich in so einen Schuppen verirrte.
Sergeant Pepper schnupperte freundlich an der Tür.
Allerdings hatte der Wirt mich gestern nett verarztet, und ich war ihm noch das Geld für den Espresso schuldig. Ich stehe
ungern in jemandes Schuld. Okay, das gab den Ausschlag. Ich öffnete die Tür.
Alle Tische waren besetzt, auch an der Theke
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