Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Dann legte sie einfach auf.
Ich starrte mein Handy an und drückte die Wahlwiederholung, aber in dem Moment, in dem die Verbindung hergestellt wurde, klingelte
es an der Wohnungstür. Ich öffnete und sah mich einer lachenden Jasmin gegenüber. Sie war mit einem langen Männerhemd über
einer hautengen Jeans bekleidet und – barfuß. War das jetzt eine neue Seuche?
»Wo kommst du denn …?«, begann ich, dann dämmertees mir. »Du bist in der Stadt, liegst mit meinem Nachbarn im Bett und sagst mir nicht einmal Bescheid?«
»Hättest du mitfliegen wollen?«, fragte Jasmin grinsend zurück. »Ich bin vor drei Stunden angekommen und wollte dich überraschen.«
»Gelungen«, knurrte ich.
»Schmoll nicht, jetzt bin ich ja da.«
Ich berichtete ihr von Stahls Reise nach Barcelona und brauchte nicht erst darauf hinzuweisen, dass ich ein verdammt schlechtes
Gewissen hatte, denn Jasmin kommentierte meine atemlose Geschichte mit den Worten: »Und jetzt tut der arme, aufrechte Polizist
dir leid, und du weißt nicht, wie du ihm helfen sollst, ohne dich selbst als hinterhältige, gemeine, niederträchtige, egoistische
Lügnerin zu entlarven.«
»Ich hätte alle diese fiesen Adjektive weggelassen und vielleicht ein anderes Wort für Lügnerin gefunden, aber im Großen und
Ganzen muss ich zugeben, dass das so stimmt.«
»Okay, dann lass uns nachdenken.«
Jasmin hockte sich mit untergeschlagenen Beinen auf die Couch, kniff die Augen zusammen und murmelte »Denken, denken …«.
Ich boxte sie unsanft gegen den Oberarm, und sie blickte vorwurfsvoll zu mir auf.
»Hey, was soll das? Ich war gerade einer super Idee auf der Spur.«
»Lass hören.«
»Funks Spur verliert sich in Barcelona.«
Ich nickte.
»Funk ist ein Betrüger, der reiche Leute abzockt. Vor allem Frauen. Die aus den besseren Kreisen.«
Ich nickte wieder.
»Du hast einen Papa, der in Barcelona wohnt und in den besseren Kreisen verkehrt.«
»In den besten«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Aber ich kenne ihn nicht.«
Jasmin legte den Kopf schief und sah mich mit einem spöttischen Lächeln herausfordernd an.
»Wie stellst du dir das vor?«, fragte ich. »Soll ich die Auskunft anrufen, nach der privaten Telefonnummer eines der reichsten,
noch dazu adeligen Industriellen Spaniens fragen und, sofern man mir die Nummer geben würde, was ich stark bezweifle, ihm
am Telefon erklären, ich sei seine unbekannte Tochter und hätte da mal eine Bitte?«
»Ja.«
»Du spinnst.«
»Stimmt. Du wirst die Nummer nicht über die Auskunft rauskriegen. Aber rauskriegen wirst du sie, da bin ich sicher.«
Ich ließ mich in den Sessel und den Kopf gegen die Lehne sinken und starrte an die fünf Meter hohe Decke. Seit Jahren reizte
mich der Gedanke, meinen Vater kennenzulernen. Jetzt hätte ich sogar einen echten Anlass.
»Nein«, sagte ich.
Jasmin grinste. Ich hasste sie dafür, denn oft genug weiß sie lange vor mir, dass ich eine felsenfest geäußerte Überzeugung
in absehbarer Zeit über den Haufen werfe. Aber diesmal wollte ich wirklich standhaft bleiben.
»Schick doch bitte mal eine Erinnerungs-Mail an alle diejenigen, denen du das Foto geschickt hast«, bat ich sie. Jasmin kramte
ihr Handy hervor und schickte die Mail. Dann sah sie mich prüfend an.
»Du siehst Scheiße aus, meine Liebe.«
Ich verbeugte mich übertrieben. »Danke für die Blumen.«
»Hast du eigentlich in den letzten Wochen mal irgendetwas unternommen?«
»Ich bin sehr beschäftigt«, entgegnete ich lahm. Ich wusste genau, was sie meinte, und sie hatte recht. Während mein Alter
Ego Millie durch die Weltgeschichte jettete und sich mit den hippsten Prominenten der Welt traf, lebte ich ein Leben als Mauerblümchen.
Hockte vor Sabines Computer, ging mit Sergeant Pepper spazieren und war ein paarmal bei Moritz in der Kneipe gewesen, aber
das war auch schon alles.
»Du gehst heute Abend mit uns essen.«
»Uns?«, fragte ich misstrauisch.
»Jake und ich und ein paar Freunde.«
Mein Kopfschütteln wurde schlicht ignoriert.
»Ich hole dich um acht Uhr ab.«
Um halb sechs begann ich mit den Vorbereitungen. Bad, Wechselduschen, Bürstenmassage, Pediküre, Maniküre, Rasur, Augenbrauenzupfen,
Haarwäsche, Haarpackung, Gesichtspackung, die Haare auf Wickler drehen, Garderobe heraussuchen, die Haare hochstecken zu einem
luftigen Wust von großen Locken auf dem Hinterkopf. Auf das Make-up verwandte ich besonders viel Sorgfalt, denn ich wusste
ja
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