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Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Titel: Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Reid
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führte und somit in hohem Maße dafür verantwortlich war, dass die Stadt umzingelt werden konnte. Soldaten sprachen von seinem »Gefängnis oder Orden«-Befehlsstil: Wenn ein Untergebener ihm zusagte, erhielt er eine Auszeichnung, wenn nicht, wurde er verhaftet. 44
    Während Stalin weitere seiner Spitzenmilitärs beseitigte, erlebten Hitlers Tischgespräche – er war nun mit seinem Stab in der speziell erbauten Wolfsschanze außerhalb Rastenburgs in Ostpreußen untergebracht – neue Höhepunkte. Zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens frohlockte Hitler an dem Tag, als die Heeresgruppe Nord Riga erobert hatte: »Die Schönheiten der Krim werden mit Hilfe einer Autobahn zugänglich gemacht werden. Für uns Deutsche wird dies unsere Riviera sein. Auch Kroatien wird zu einem Touristenparadies für uns werden.« Die beiden russischen Hauptstädte dagegen schienen nicht das gleiche Potenzial zu bieten, denn drei Tage später, während der Einnahme von Pskow, erklärte Hitler seinem Generalstabschef Halder, es sei sein »feststehender Beschluss …, Moskau und Leningrad dem Erdboden gleich zu machen, um zu verhindern, dass Menschen darin bleiben, die wir dann im Winter ernähren müssten. Die Städte sollen durch die Luftwaffe vernichtet werden.« In seiner Zuversicht, dass ihm das ganze europäische Russland in die Hände fallen werde, wies er Halder an, Aktionen gegen die Industriestädte des Urals zu planen. Sogar der vorsichtige General gestand in seinem Tagebuch, dass sich die Dinge zufriedenstellend entwickelten. Das Ziel von Barbarossa, die Mehrheit der Roten Armee diesseits der Flüsse Düna und Dnepr zu zerschlagen, war nach seiner Ansicht mehr oder weniger erreicht worden. Obwohl noch vieles zu tun bleibe, sei es wahrscheinlich keine Übertreibung, »wenn ich behaupte, daß der Feldzug gegen Rußland innerhalb [von] 14 Tagen gewonnen wurde«. 45

 
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    »Wir siegen, aber die Deutschen rücken vor«
    Der sparsame Umgang von Sowinform mit der Wahrheit hatte zur Folge, dass die Leningrader rasch lernten, offiziellen Nachrichtenquellen nicht zu trauen. » Naschi bjut «, flüsterten sie einander zu, » nemzy berut « (»wir siegen, aber die Deutschen rücken vor«). Daneben lernten sie, die vage Sowinform-Ausdrucksweise zu interpretieren. Oschestotschennyje boi (»erbitterte Kämpfe«), upornyje boi (»hartnäckige Kämpfe«) und tjascholyje boi (»schwere Kämpfe«) deuteten auf die zunehmende Bedrohlichkeit der Lage hin. »Komplexe« Situationen waren äußerst ernst zu nehmen, und die schlimmste Wendung der Verlautbarungen – »schwere Verteidigungsschlachten gegen überlegene feindliche Kräfte« – stand für den Rückzug auf ganzer Linie. »Aus den verschleierten Mitteilungen des Sowjetischen Informationsbüros«, schrieb ein Leningrader, »geht trotzdem deutlich hervor, »dass die Rote Armee unfähig ist, die deutsche Initiative an irgendeiner der Verteidigungslinien zu stoppen.« 1
    Zuverlässiger, wenn auch subjektiv, waren die vertraulichen Mitteilungen oder zufällig belauschten Bemerkungen von Frontheimkehrern. So entdeckte die inbrünstig antibolschewistische Lidia Ossipowa, eine in Puschkin wohnende Rentnerin, Mitte August zu ihrer Freude, dass die Deutschen nur noch fünfzig Kilometer entfernt waren. »Gestern sagte ein Pilot, der in der Flugplatzkantine aß, zu dem Mädchen an der Kasse: ›Nun werden wir den Feind in Sewerskaja mit Bomben angreifen.‹ Daher wissen wir, dass Sewerskaja von den Deutschen erobert worden ist. Wann werden sie uns erreichen? Und werden sie wirklich kommen? Die letzten Stunden vor der Entlassung aus dem Gefängnis sind die schlimmsten.« Die sogenannten Berichte von Parteiaktivisten in ihren Frauenorganisationen seien so nutzlos »wie Auszüge aus einer von Analphabeten geschriebenen Wandzeitung … Keine Kommentare oder Fragen sind erlaubt. Das, was wir selbst innerhalb von fünfzehn Minuten gelesen haben könnten, nimmt eine ganze Stunde in Anspruch. Gott, wann wird all das enden?« 2
    Mutmaßungen waren jedoch nicht das Gleiche wie konkretes Wissen, und es blieb ein Vakuum, das durch Gerüchte gefüllt wurde. Es hieß, Leningrad sei nicht bombardiert worden, weil Hitler es als Geschenk für seine (imaginäre) Tochter vorgesehen habe; oder die Wassiljewski-Insel würde verschont werden, weil Alfred Rosenberg (Hitlers Reichsminister für die besetzten Ostgebiete) dort geboren worden sei; ein Schiff der Roten Flotte sei auf dem Weg in die Ostsee versenkt worden;

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