Blonder Kugelfang
Verrückter. Ihm mochte es völlig egal sein, ob ich seinen
Partner tötete. Er würde genauso reagieren, wie Marty voraussagte.
»Warum gehen wir nicht hinein?«
fragte Marty. »Aber zuerst geben Sie mir besser Ihren Revolver, Holman . Wenn Sie ihn beim Eintreten noch in der Hand haben,
bringt Earl sie gleich um.«
»Vielleicht sollte ich Sie
erschießen und mich bei Earl auf mein Glück verlassen?« knurrte ich.
»Wenn Sie mich umbringen, töten
Sie damit Ihre Klientin«, gab er mir leise zu bedenken.
Aus dem Hausinnern erscholl ein
zweiter schmerzlicher Schrei, und Marty grinste.
»Sie sollten sich wirklich
schnell entscheiden«, regte er an. »Oder es ist zu spät. Dieser Earl hat doch
wirklich keine Geduld.«
Widerstrebend hielt ich ihm den
Revolver hin, und er griff danach.
»Ein .38er.« Prüfend wog er ihn
in der Hand. »Sie sollten lieber eine Luger benutzen. Wenn Sie jemanden mit
einer Luger anschießen, ist er erledigt. Also, gehen wir hinein.«
Er ließ mich vor sich her ins
Wohnzimmer gehen. Dort erwartete uns Earl, das lange blonde Haar pedantisch
gekämmt, ein glückliches Funkeln in den Augen. In der rechten Hand hielt er
einen Revolver, der auf mich gerichtet war, in der linken ein Messer. Tracy
Nash hatte er gegen die Bar gedrückt und preßte ihr die Messerspitze an die
Kehle. Ihre Augen waren schreckgeweitet, ihr ganzer Körper schien vor Angst
erstarrt.
»Setzen Sie sich!« Marty
deutete auf den nächsten Sessel. Mir blieb nichts anderes übrig. Marty griff
sich eine volle Schnapsflasche von der Bar und warf sie mir zu. Ungeschickt
fing ich sie mit beiden Händen auf.
»So ist’s recht, Holman «, lobte er und stellte sich hinter meinen Sessel.
»Und jetzt halten Sie die Flasche einfach beidhändig fest. Wenn Sie sie
loslassen, auch nur mit einer Hand, wird das sehr ungesund für Sie. Und zwar
so.« Schmerzhaft kollidierte der Revolverkolben mit meiner Schädeldecke. »Nur
noch fester. Kapiert?«
Es war nicht der rechte Moment
für eine Demonstration von Tapferkeit, und für Schlauheit war es längst zu
spät. »Kapiert«, preßte ich deshalb durch die Zähne.
»Okay, Earl«, sagte Marty dann
leutselig, »die Schau gehört dir.«
»Schade, daß es nicht das Weib
von gestern abend ist«, nörgelte Earl. »Die hier ist
ja nur Haut und Knochen.«
»Es handelt sich um Arbeit,
nicht um Vergnügen«, erinnerte Marty ihn. »Obendrein wirst du dafür bezahlt.
Mach schon, Junge.«
Earl steckte seine Kanone in
die Hüfttasche und machte zwei Schritte von Tracy weg. Blut tröpfelte ihr vom
Hals, wo die Messerspitze die Haut geritzt hatte.
»Zieh dich aus«, befahl Earl.
Tracy weinte, aber sie
gehorchte wie in Trance. Aus dem Handgelenk schleuderte Earl das Messer so von
sich, daß es in der Platte der Bar steckenblieb und nur wenige Zentimeter von
Tracy entfernt wie ein Pendel hin und her wippte. Beide Hände in ihr Haar
gekrallt, zwang Earl Tracy vor sich auf die Knie, wo er sie mit einer Hand
festhielt. Mit der anderen riß er das Messer aus dem Holz und drückte es ihr
mit der Spitze gegen die Halsgrube.
»Und jetzt zeig, was du
kannst«, befahl er dann. »Oder ich schneide dir die Haut in Schnürsenkeln vom
Leib.«
Da ließ ich die Flasche fallen
und sprang auf. Aber ich schaffte es nicht bis in die Senkrechte. Irgend etwas knallte mit bösartiger Schärfe auf meinen
Schädel, und die Welt schien mir vor den Augen zu explodieren.
Weit entfernt glaubte ich,
jemanden schwach schreien zu hören. Dann brüllte eine Männerstimme
triumphierend auf. Kurz öffnete ich die Augen, schloß sie aber schnell wieder,
weil das Licht zu sehr darin schmerzte. Jemand packte mein rechtes Ohr und
verdrehte es, bis ich vor Schmerzen japste.
»Sie haben den Höhepunkt verpaßt, Holman «, sagte Marty leise und ließ mein Ohr los. Ich
blickte zur Bar hinüber, wo Earl, ein irrsinniges Glitzern im Blick, seine
Kleidung in Ordnung brachte. Tracy lag bäuchlings und offenbar bewußtlos auf dem Teppich.
»Völlig weggetreten«, stellte
Earl fest. »Ich war wohl zuviel für sie, was?«
»Das ist nur die Ekstase«,
gluckste Marty.
Earl hob sein Messer auf und
kam zu mir herüber. »Und was machen wir mit dem da?« erkundigte er sich.
»Schätze, dem brummt der
Schädel schon genug«, meinte Marty. »Ich möchte nicht, daß er die Lehre
vergißt, die wir ihm erteilt haben.« Er wandte sich an mich. »Mr. Bonetto wollte es in Güte mit Ihnen versuchen, aber darauf
haben Sie ja nicht reagiert. Dies hier war
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