Blondes Gift
am Leben zu lassen. Als er das Schloss an der Hintertür aufbrach, hatte er gedacht: Lass ihn leben. Denn es hatte schon genug Tote gegeben – verdammt, er hatte gerade eine sterbende Frau in einem Bach zurückgelassen. Er hatte keinen Bedarf, einen weiteren Menschen ins Jenseits zu befördern.
Doch jetzt musste er reagieren.
»Na gut. Nimm dir aus der Tasche, was du willst,
und dann lass mich gehen. Ich hör schon die Sirenen.«
Der Professor grinste, öffnete die Tasche und blickte hinein. Seine Kinnlade klappte nach unten.
Kowalski verkürzte den Abstand in Sekundenschnelle und schlug dem Mann mit der flachen Hand auf die Nase. Das war besser als mit der Faust – so war das Risiko nicht so groß, die eigene Hand zu verletzen. Der Professor war wie gelähmt, trotzdem holte er zu einem ungestümen rechten Haken aus, den Kowalski jedoch abwehrte, indem er ihn mit der Handfläche zur Seite lenkte. Noch mit derselben Bewegung schnappte er sich das Handgelenk des Professors und riss ihn nach vorne, was Kowalski freie Bahn auf Nieren und Lendenwirbelsäule verschaffte. Er ließ ein paar Mal die Faust nach unten sausen, bis der Mann reglos auf dem Boden lag und stöhnte.
»Bist wohl Soziologie-Professor, was? Darum das ganze Gefasel von Mindeststrafen.«
Der Typ krümmte sich und stöhnte. Kowalski tastete seine Hosentaschen ab, bis er gefunden hatte, was er suchte.
»Dann sag mir eines: Was ist die Mindeststrafe für Zahnseide?«
1:45 Uhr
Sheraton, Zimmer 702
K elly schlief jetzt. Jack merkte, dass ihr Atem in einen ruhigen, behaglichen Rhythmus übergegangen war.
Gott sei Dank.
Nanomaschinen? Der Boss? Die Olsen-Zwillinge? Ein Killersatellit? Beweise in San Diego? Fluoreszierendes Toxin? Erst einen Kuss verweigern, dann einen Blowjob anbieten? Was für eine Art von Betrugsmanöver war das eigentlich?
Doch ganz tief in seinem Innern wusste Jack, dass es kein Schwindel war. Sondern dass diese Frau völlig bekloppt war. Irgendeine Forscherin, die den Verstand verloren oder eine Nacht zu lang über einer komplizierten Gleichung verbracht hatte.
Boiiiiing! Schraube locker! Ziehen wir doch einfach los und entführen einen Mann, der in einer Flughafenbar an seinem Drink nippt!
Jack rollte sich von der Matratze und begab sich auf die andere Seite des Bettes, wo sie ihre Tasche abgestellt hatte. Es war eine dieser Kuriertaschen aus Plastik, wie sie die jungen Hipster trugen. Er öffnete die Tasche, und tatsächlich, sie hatte keine Witze gemacht . Handschellen. Vorsichtig legte er sie auf den Teppich und versuchte dabei, das Geräusch von klirrendem Metall zu vermeiden.
Es waren keine echten Polizeihandschellen. Es sei
denn, die Dienststellen der Stadt waren dazu übergegangen, ihre Handschellen in einem Laden mit dem Namen Pleasure Chest zu kaufen. Der Name stand auf einem rosafarbenen Etikett am unteren Ende von einem der Ringe. Erwischt, Schätzchen.
Dennoch schienen sie ziemlich stabil zu sein. Sexspielchen machten keinen Spaß, solange nicht ein guter Schuss Realismus mit im Spiel war.
Sie reichten auf jeden Fall, um sie ans Bett zu fesseln, während er die Polizei rief.
Er musste nur auf sie warten, dann konnte Kelly ihnen alles über den Boss und die Mary Kates und Bob Saget erzählen, und was sonst noch so in ihrem kranken Hirn herumgeisterte. Sie konnten sie dazu zwingen, das Gegengift rauszurücken … Aber Moment mal. Es war vielleicht hier in ihrer Tasche.
So leise wie möglich durchsuchte Jack ihre Tasche, aber er fand nur drei Gegenstände, die irgendwas mit dem Gift zu tun haben könnten. Zunächst eine Flasche Kontaktlinsentropfen. Sie enthielt eine farblose Flüssigkeit. Das Gegengift?
Dann war da noch ein Plastikröhrchen mit dem Etikett »Tylenol Extra Strength« – Kopfschmerztabletten. Er schraubte es auf. Es war voller runder weißer Tabletten. Er schüttelte eine heraus – sie war mit der Prägung OP 706 versehen. Keine Ahnung, was das bedeutete. Vielleicht war es das.
Und schließlich waren da noch in Folie eingewickelte Magentabletten. Zumindest sahen sie
so aus. Aber natürlich konnte es alles Mögliche sein.
War eines davon das Gegengift? Oder trug sie es womöglich bei sich am Körper? Egal, die Polizei würde sie schon zum Reden bringen.
Jack nahm die Handschellen und kroch zu Kelly. Sie gehörte zu den Menschen, die mit den Armen über dem Kopf schliefen, was ideal war. Er legte einen der Ringe um ihr Handgelenk und ließ ihn sachte zuschnappen.
Ihre Augen öffneten
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