Blood Coven Vampire 04 - Beiss, Jane, Beiss-iO
viel«, murmle ich und merke, dass ich nicht in der Lage bin, aufzublicken und womöglich das Mitleid in ihren Augen zu sehen. Die Tochter ihres Vaters. Bin ich die Tochter meines Vaters? Bin ich ihm überhaupt ähnlich? Oder ist er mehr wie Rayne? Ich habe keine Ahnung. Er nie lange genug da, als dass wir es hätten herausfinden können.
Die Wärme ist aus dem Raum gewichen und meine Hände sind so kalt wie Eis.
Heather lässt nicht locker. »Ich fühle mich ganz schrecklich. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich...«
»Dann hättest du was?«, werfe ich entgegen und reiße den Kopf hoch, plötzlich zornig auf diese Familienvernichterin, die mit mir am Tisch sitzt und so tut, als sei sie meine Freundin. Die so tut, als hätte sie nicht das Undenkbare getan, damals, als ich noch ein hilfloses Kind war. Als hätte sie nicht den Mann gestohlen, der mir das Leben geschenkt hat. Und ihm eine Ersatztochter gegeben, damit es ihm leichter fiel, seine Zwillinge zu verlassen. Verdammt noch mal, die meiste Zeit scheint dieser Mann einfach zu vergessen, dass wir überhaupt existieren. »Dann hätten Sie uns die Nachricht anders beigebracht? Oder sie vielleicht als Stiefschwester ausgegeben - die nicht im Mindesten mit uns verwandt ist? Inwiefern wäre das besser gewesen? Nichts kann etwas an der Tatsache ändern, dass sie überhaupt existiert. Dass mein Dad meine Mom betrogen hat und sie jetzt als ein lebender, atmender Beweis für seine Untreue durch dieses Haus spaziert.«
Heather schüttelt langsam den Kopf. »Ich weiß, es wirkt gemein«, meint sie. »Aber du musst mir glauben, wenn ich dir sage, dass du nicht die ganze Geschichte kennst.«
»Du hast recht. Ich kenne nicht die ganze Geschichte«, knurre ich. »Tatsächlich kenne ich nicht einmal das erste Kapitel. Nicht einmal den verdammten Prolog. In meinem ganzen Leben hat sich niemand je die Mühe gemacht, mir irgendetwas zu sagen. Nur dass Dad fort ist und wahrscheinlich nicht zurückkommen wird.«
»Ich weiß«, sagt Heather. »Glaub mir, all die Jahre habe ich deinen Vater angefleht, sich mit euch beiden hinzusetzen und euch zu sagen, was wirklich passiert ist. Zu erklären, warum er getan hat, was er getan hat. Aber... er hat Angst, schätze ich.«
»Wovor um alles in der Welt könnte er Angst haben?«
Sie scheint einen Moment lang darüber nachzudenken. »Ich nehme an, dass du das nicht verstehen wirst. Und du wirst ihn verurteilen, weil er das getan hat, was er glaubte, tun zu müssen. Er hatte keine Wahl.«
Okay, jetzt bin ich wirklich verwirrt. Keine Wahl? Es gibt immer eine Wahl. Man entscheidet sich entweder dafür zu gehen - die Familie zu verlassen, die einen braucht, und nie wieder zurückzublicken - oder man entscheidet sich dafür, zu bleiben und den Kindern, die man in die Welt gebracht hat, ein Vater zu sein. Ziemlich einfach.
Heather schweigt einen Moment lang, als fechte sie einen inneren Kampf aus. Dann blickt sie auf, einen traurigen Ausdruck auf dem Gesicht. »Es tut mir leid, Sun. Ich fühle mich nicht wohl dabei, über dieses Thema zu sprechen. Es ist nicht an mir, das zu tun. Dein Vater muss derjenige sein, der euch die Geschichte erzählt.«
»Nun, wir wissen beide, dass das nicht passieren wird«, erinnere ich sie und abermals steigt Wut in mir auf. »Ich meine, der Mann hat sich nicht mal die Mühe gemacht, fünf Minuten dazubleiben, nachdem er gehört hatte, dass seine beiden Töchter dreitausend Kilometer fliegen würden, nur um ihn zu sehen.«
»Er wollte hier sein«, beharrt Heather, die jetzt ausgesprochen unglücklich wirkt. »Glaub mir, er wollte es wirklich. Aber er hatte … wichtige Geschäfte, um die er sich kümmern musste. Du musst mir einfach glauben.«
»Ja. So ist es immer bei ihm.« Ich stoße einen frustrierten Seufzer aus und versuche, mich so weit wie möglich zu beruhigen. Ich möchte um mich schlagen, möchte, dass sie sich genauso schlimm fühlt wie ich. Aber gleichzeitig weiß ich, dass ich meine Wut an der falschen Person auslasse. Schließlich ist nicht sie diejenige, die mich im Stich gelassen hat. In Wahrheit war sie nichts anderes als freundlich. Sie hat uns ohne Fragen bei sich aufgenommen. Hat sich klaglos um alles gekümmert, was wir brauchten. Das müsste sie nicht tun. Wir sind nicht ihre Kinder.
»Hör mal, es tut mir leid. Ich wollte das nicht an dir auslassen. Ich bin nur... hm, die ganze Sache macht mich ganz verrückt, falls es dir noch nicht aufgefallen ist«, gestehe ich.
Heather
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