Blood Coven Vampire 04 - Beiss, Jane, Beiss-iO
nicken. Ich muss wirklich einen Gang runterschalten. Es ist nur ein Theaterstück. Hier wird mir nichts Schlimmes passieren. Selbst wenn Cornelius sich entledigen wollte, könnte er es nicht vor all diesen Leuten tun.
»Ja, ich bin Sunny.«
»Cool. Hier ist dein Probenplan mit allen Kontaktinformationen der Truppe. Dort stehen die E-Mail-Adressen aller Beteiligten - wir müssen irgendwann deine hinzufügen, damit wir dir Bescheid geben können, sollte eine Probe abgesagt werden.« Er reicht mir ein weißes Blatt Papier und ich stopfe es in meine Tasche. »Und hier ist dein Kostüm«, fügt er hinzu und gibt mir eine Plastikeinkaufstüte. »Heute ist Kostümprobe, du musst dich also umziehen. Das Badezimmer ist hinten im Flur.«
»Oh, cool, danke.« Ich nehme die Tasche entgegen und alle angstvollen Gedanken Cornelius betreffend werden durch Neugier verdrängt. Das Stück spielt im viktorianischen England und ich war schon immer ein Fan der Kleidung dieser Epoche. Lange, schöne Kleider mit Meilen von Stoff…
Ich öffne die Tüte. Ähm, sagen wir, Zentimeter von Stoff.
Tatsächlich kann man dieses »Kostüm« kaum als solches bezeichnen. Vielleicht ein halbes Kostüm, bei dem der Näherin mittendrin der Stoff ausgegangen ist? Ich besehe mir das dürftige Trikot genauer und hoffe, dass es nur eine optische Täuschung ist. Ich meine, da dachte ich schon, meine Showgirl-Tarnung sei offenherzig. Dieses Ding ist mikroskopisch - tief ausgeschnitten am oberen Ende und am unteren nur einen Hauch Stoff zu viel, um als String durchzugehen. Zu diesem halben Kostüm gehören Netzstrümpfe, ein durchsichtiger Schleier und Plateauschuhe von einer Höhe, die es mit denen aufnehmen kann, über die ich gestern gestolpert bin. Igitt. Mit diesen Dingern soll ich über die Bühne »schweben«? Ich werde mich glücklich schätzen, wenn ich den Weg schaffe, ohne mir dauerhaften Schaden zuzuziehen. (Plötzlich ergibt das sprichwörtliche »Hals- und Beinbruch« tatsächlich Sinn.) Ich dachte, Mina soll eine Jungfrau sein, um Himmels willen! Welche Jungfrau würde sich in einem solchen Ding blicken lassen?
Besser gesagt, welche außer mir, denke ich.
Ich hole tief Luft und versuche, meine wachsende Panik zurückzudrängen. Wie kann ich dieses verrückte Outfit auf der Bühne tragen? Vor einem Publikum! Ich meine, klar, ich werde niemanden kennen, nehme ich an, aber trotzdem! Was ist, wenn jemand ein Foto macht? Was, wenn es irgendwann bei Flicker oder Facebook auftaucht? Und jemand meinen Namen dazuschreibt? Vielleicht ist das der Grund, warum Jane auf dem Theaterprogramm als Sasha aufgeführt wird. Sie ist inkognito. Sie will nicht, dass ihre politischen Ambitionen von einem nuttigen Foto im Web zunichte gemacht werden. (Obwohl ich immer noch nicht kapiere, warum eine Rhodes-Stipendiatin überhaupt in einem billigen kleinen Stück auftreten würde.)
»Ruhe auf dem Set. Er ist da!«
Stille senkt sich über die Bühne, als die Türen des Auditoriums aufschwingen und »Dracula« das Theater betritt. Ich ziehe scharf die Luft ein.
Bekleidet mit einem schwarzen, maßgeschneiderten Smoking und einem wallenden schwarzroten Cape ist Cornelius der wandelnde Stereotyp des berüchtigten Vampirs à la Hollywood. Bela Lugosi in Person. (Meine Schwester beharrt darauf, dass Bela der einzige Dracula sei, den sie akzeptiert, wobei sie die Arbeiten von Schauspielern wie Christopher Lee und Gary Oldman mit einem geringschätzigen Achselzucken abtut. Insgeheim glaube ich jedoch, dass nicht Lugosis überlegene Schauspielkunst der Grund dafür ist, sondern eher die Tatsache, dass ihre bevorzugte Gothic-Band, Bauhaus, einmal einen Song über ihn geschrieben hat.)
Die anderen Schauspieler beobachten, scheinbar erstarrt, wie er mit einer Anmut und Präsenz den Gang hinunterschreitet, die man normalerweise nicht bei Männern erlebt, die zwei Meter groß sind. Das heißt, jedenfalls nicht bei menschlichen Männern.
Er sieht sich mit seinem durchdringenden Blick im Raum um und mustert jeden Schauspieler, bis die Reihe an mir ist. Er starrt mich an, als versuche er, meinen Geist zu erforschen und meine verborgensten Gedanken offenzulegen. Ich schaudere unwillkürlich. Ich kann nicht dagegen an; er wirkt einfach böse. Instinktiv errichte ich schnell eine geistige Blockade, um ihm den Zugang zu verwehren, etwas, was Magnus mich gelehrt hat, nachdem seine Freunde und Zirkelkollegen peinlicherweise Dinge ins Gespräch gebracht hatten, über die ich nie laut
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