Blood - Ein Alex-Cross-Roman
waren. Jetzt war er also auf dem Weg nach Hunt County, dem versnobbten Vorort, in dem er wohnte. Ein echter Brüller, wenn auch nur er wusste, wieso: »Hunt County − Heimat des Jägers«.
Endlich lag es vor ihm, sein Heim, seine eigenen vier Wände, erworben im Jahr 2002 für eins Komma fünf Millionen. Sechs große Schlafzimmer, viereinhalb Badezimmer, beheizbarer Swimmingpool, Sauna, ausgebauter Keller mit Multimedia-Zimmer. Digitales Satellitenradio war derzeit bei Caitlin und den Jungs tierisch angesagt. Oh, süße Caitlin, Liebe seines Spießerlebens, die sich derzeit einen »Lebenstrainer« und einen »intuitiven Heiler« leistete und das alles von seinen dubiosen Einkünften als Jäger .
Sullivan hatte seine Ankunft per Handy angekündigt, und da standen sie schon auf dem Rasen im Vorgarten, sein Begrüßungskomitee
− winkend, als wären sie tatsächlich die große, glückliche Familie, für die sie sich hielten. Sie hatten keine Ahnung, nicht einmal einen Hauch davon, dass sie nur ein Teil seiner Tarnung waren, sein Deckmantel. Das war auch schon alles, oder?
Er sprang aus dem Caddy, grinste wie ein Schauspieler in einem Fast-Food-Werbespot und sang seine Erkennungsmelodie, den alten Klassiker »Daddy’s Home« von Shep and the Limelites: »Daddy’s home, your Daddy’s home to stay.« Caitlin und die Kinder fielen ein: »He’s not a thousand miles a-waaay.«
Er hatte das beste Leben, das es gab, oder etwa nicht? Abgesehen von der Tatsache, dass ihn irgendjemand umlegen wollte. Und dann war da natürlich noch seine Vergangenheit, seine Kindheit und Jugend in Brooklyn, sein gestörter Vater, der Knochenmann, das gefürchtete Hinterzimmer im Laden. Aber der Schlachter versuchte, diese Gedanken für den Augenblick auszublenden.
Er war wieder zu Hause, er hatte es geschafft und verneigte sich mit elegantem Schwung vor seiner Familie, die ihrem heimgekehrten Helden natürlich frenetisch zujubelte.
Genau das war er, jawohl, ein Held.
Dritter Teil
Therapie
46
»Alex! He, du! Wie geht’s? Lange nicht gesehen, Großer. Gut siehst du aus!«
Ich winkte einer zarten, hübschen Frau namens Maline Freeman zu und rannte weiter. Maline war ein fester Bestandteil dieses Viertels, ähnlich wie ich. Sie war ungefähr in meinem Alter und Besitzerin des Zeitungskiosks, wo wir als Kinder gemeinsam unser Taschengeld in Bonbons und Limonade angelegt hatten. Es hieß, dass sie mich nett fand. Na ja, ich fand Malina auch nett, immer schon.
Meine fliegenden Füße trugen mich weiter in Richtung Norden, die Fifth Street entlang, als kannten sie den Weg genau, die Umgebung zog an mir vorbei. Als es auf den Seward Square zuging, schlug ich einen rechten Haken und nahm den längeren Weg. Dafür gab es keinen logischen Grund.
Was mich in diesen Tagen beschäftigte, waren die neuen Informationen über Marias Mörder. Mit dem Haken mied ich den Straßenabschnitt, auf dem es geschehen war, ich mühte mich nach Kräften, Maria so in Erinnerung zu behalten, wie ich sie gekannt hatte, und nicht so, wie ich sie verloren hatte. Außerdem war ich tagtäglich damit beschäftigt, ihrem Mörder auf die Spur zu kommen, jetzt, wo ich den Verdacht hegte, dass er immer noch irgendwo da draußen war.
Ich bog nach rechts in die Seventh Street ab, steuerte dann die National Mall an und beschleunigte noch ein bisschen mehr. Als ich mein Ziel in der Indiana Avenue erreicht hatte, hatte ich gerade noch genügend Puste, um die Treppe bis in den vierten Stock hinaufzulaufen, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
Meine neue Praxis war ein ehemaliges Wohnatelier, bestehend aus einem großen Zimmer mit einem kleinen Bad und einer kleinen Einbauküche an einer Seite. Durch die halbkreisförmig angebrachten Fenster im Eckturm strömte Tageslicht in rauen Mengen herein.
Genau dort hatte ich zwei bequeme Sessel und eine kleine Couch für die Therapiesitzungen hingestellt.
Allein, dass ich hier war, versetzte mich schon in erhebliche Aufregung. Ich war gerüstet und bereit, meinen ersten Patienten zu empfangen.
Auf meinem Schreibtisch warteten drei Aktenstapel auf mich, zwei vom FBI und ein weiterer aus dem Polizeipräsidium von Washington D.C. Hinter den meisten Aktendeckeln verbargen sich ungelöste Fälle, an deren Aufklärung ich mich als Berater beteiligen konnte. Ein paar ungeklärte Verbrechen? Eine Leiche hier und da?
Im ersten Fall, den ich mir anschaute, ging es um einen Serienmörder in Georgia, den die Medien bereits den
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