Blood - Ein Alex-Cross-Roman
haben Dr. Cross gestern Abend und heute Morgen schon eine Nachricht auf Band gesprochen, aber ich könnte mir vorstellen, dass alle Welt im Augenblick hinter ihm her ist. Jetzt, wo er freiberuflich arbeitet.«
»Tja, da haben Sie wohl Recht. Alle Welt ist hinter ihm her«, erwiderte er. »Aber Alex ist schon groß. Er kann ganz gut auf sich selbst aufpassen und ist durchaus in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Warum rufen Sie ihn nicht einfach noch einmal an?«
»Detective Sampson, es handelt sich bei diesem Täter um ein außergewöhnlich widerliches Schwein. Ich kann mir nicht den Luxus erlauben, Zeit zu vergeuden, nicht die anderer Leute und auch nicht meine eigene. Sollte ich Ihnen also irgendwie auf die Füße getreten sein, dann seien Sie doch, verdammt noch mal, so nett und ertragen den Schmerz und lassen die ganzen Spielereien, und sagen Sie mir, ob Sie mir helfen wollen oder nicht.«
Sampson wusste, was dieser Tonfall zu bedeuten hatte, und er musste schmunzeln. »Nun, da Sie sich so ausgedrückt haben - also gut, einverstanden. Ich kann nicht für Alex sprechen, aber ich sehe, was ich tun kann.«
»Prima. Danke. Ich schicke Ihnen gleich die Akten. Es sei denn, Sie wollen sie selbst hier abholen.«
»Moment mal. Akten? Plural?«
»Bin ich Ihnen vielleicht zu schnell, Detective Sampson? Das war doch der Grund meines Anrufs: dass Sie und Doktor Cross über eine solch große Erfahrung mit Serienverbrechen verfügen.«
Sampson rieb sich mit dem Telefonhörer die Schläfe.
»Ja, ich schätze, Sie sind mir zu schnell. Geht es denn auch um Mord?«
»Keine Mordserie«, sagte Anton gepresst. »Eine Vergewaltigungsserie.«
53
»Ich beteilige mich nicht an den Ermittlungen«, sagte ich zu Sampson. »Das ist eine persönliche Gefälligkeit für dich, John.«
Sampson zog wissend die Augenbrauen in die Höhe. »Anders ausgedrückt: Du hast Nana und den Kindern versprochen, dass du dich nicht mehr aktiv an irgendwelchen Ermittlungen beteiligst.«
Ich winkte ab. »Nein, ich habe niemandem irgendetwas versprochen. Fahr einfach weiter und pass auf, dass du niemanden überfährst. Zumindest niemanden, den wir sympathisch finden.«
Wir befanden uns in McLean, Virginia, wo wir mit Lisa Brandt reden wollten. Sie hatte ihre Wohnung in Georgetown vorübergehend verlassen, um bei einer Freundin auf dem Land unterzuschlüpfen. Ihre Akte lag auf meinem Schoß, zusammen mit drei anderen, in denen es ebenfalls um Vergewaltigungsopfer ging, die keinerlei Aussage machen wollten, um die Ermittlungen voranzutreiben und den Vergewaltiger aufzuhalten. Den Serien -Vergewaltiger.
Es war meine erste Gelegenheit, die Papiere durchzusehen, aber schon nach kurzer Zeit war ich mit den Schlussfolgerungen der ermittelnden Detectives einig. Diese Überfälle gingen alle auf das Konto ein und desselben Täters, und der war definitiv ein Irrer. Die uns bekannten Opfer waren alle derselbe Typ: weiße Frauen Ende zwanzig, Anfang dreißig, ohne festen Partner und allein lebend. Alle wohnten in Georgetown und waren beruflich erfolgreich − eine Rechtsanwältin, eine Bank-Managerin. Lisa Brandt war Architektin. Es handelte sich durchweg um kluge, zielstrebige Frauen.
Und keine Einzige war gewillt, auch nur ein Wort gegen oder über den Mann auszusagen, der sie überfallen hatte.
Unser Täter war eindeutig ein scharfsinniges und äußerst beherrschtes Tier, das genau wusste, wie er seinen Opfern Todesangst einjagen und dafür sorgen konnte, dass sie sie nicht mehr loswurden. Und das nicht nur ein-, sondern gleich viermal. Womöglich sogar noch öfter. Es war äußerst wahrscheinlich, dass es noch weitere Opfer gab, Frauen, die zu viel Angst hatten, die Vergewaltigung überhaupt anzuzeigen.
»Da wären wir«, sagte Sampson. »Hier hält Lisa Brandt sich versteckt.«
54
Wir durchfuhren eine gewaltige Hecke und gelangten auf eine lange, halbmondförmige Auffahrt mit Muschelbelag, ich sah von dem Stapel aus kriminalpolizeilichen Ermittlungsakten auf meinem Schoß auf. Das Haus war ein stattlicher Bau im altgriechischen Stil, besaß einen Portikus aus zwei Stockwerke hohen, weißen Säulen und sah aus wie eine Vorstadtfestung. Ich konnte verstehen, warum Lisa Brandt ausgerechnet hier Zuflucht und Sicherheit gesucht hatte.
Ihre Freundin Nancy Goodes machte uns die Haustür auf und kam ins Freie, um ein paar vertrauliche Worte mit uns zu wechseln. Sie war zierlich und blond und ungefähr in Miss Brandts Alter, das laut Akte
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