Blood Empire - SCHLÄCHTER DER NACHT (Folgen 1-6, Komplettausgabe)
haben? Ich bin nicht wie du, Petra.
Und im Inneren deines Herzens hast du es längst geahnt."
Sie drehte sich herum.
"Wer bist du?", fragte sie mit klarer Stimme.
"Comte Jean-Aristide Leroque, ein französischer Kleinadliger, der der am Hof König Ludwigs in Versaille weilte, als der Mob hinter den Toren von Paris auf die Barrikaden ging. Fast zweieinhalb Jahrhunderte existiere ich bereits. Und wenn ich nicht gepfählt werde oder es doch noch jemand schafft, mich unter eine Guillotine zu legen, dann gibt es keinen Tod für mich."
Leroque erhob sich ebenfalls.
Er trat auf Petra zu.
"Mein Körper ist seit über zwei Jahrhunderten tot. Ich atme nicht, ich esse nicht, ich halte das Champagnerglas nur der Form halber in der Hand, wenn ich mit dir eine Vernissage besuche! Kein lebendes Herz schlägt mehr in meiner Brust. Und doch existiere ich in Ewigkeit, bin dabei stärker als jeder Sterbliche!"
Petra schluckte, betastete die Bissmale an ihrem Hals.
"Wir trinken euer Blut, Petra...", erklärte Leroque. "Dir ist dadurch kein Schaden entstanden. Im Gegenteil.... Wie du dich sehr wohl erinnern wirst, hast du es genossen!"
"Ja", flüsterte sie. "Genießen alle Sterblichen es so, wenn ihnen Blut abgezapft wird?"
"Nein, durchaus nicht. Es ist eine Frage des Geschicks...
Wie du zugeben musst, bin ich sehr sanft vorgegangen..."
"Das ist wahr", hauchte Petra.
Die Gedanken rasten nur so in ihrem Kopf.
Sie spürte, dass Leroques Worte der Wahrheit entsprachen.
Alles, was sie gesehen und erlebt hatte sprach dafür, so fantastisch es auch anmuten mochte.
VERTRAU MIR, PETRA!, hallte jene eigenartige Gedankenstimme in ihrem Kopf wider, die sicher mitverantwortlich dafür war, dass Petra sich überhaupt auf den Grafen eingelassen hatte.
Eine Stimme, deren Suggestivkraft man sich kaum zu entziehen vermochte.
"Ich biete dir an, eine von uns zu werden, Petra... eine Angehörige des Nachtvolkes, dem die Ewigkeit gehört!"
Petra schluckte.
Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen.
Aber ihre Kehle fühlte sich trocken an.
Sie brachte keinen einzigen Ton heraus.
War die Aussicht auf immerwährende Existenz nicht ein faszinierender Gedanke? Du wirst deinen eigenen Nachruhm als Künstlerin erleben können!, ging es Petra durch den Kopf.
Aber vielleicht auch, wie deine Werke dem Vergessen anheim fallen...
"Ich werde ewig eine Künstlerin bleiben", brachte Petra schließlich mit heiserer Stimme hervor.
Ein beinahe mildes Lächeln flog über Leroques Gesicht.
"Wir werden sehen", murmelte er und wiederholte diesen Satz noch etwas gedämpfter auf Französisch: "Nous allons voire, ma cherie!"
Comte Leroque ging zum Schreibtisch, nahm einen Brieföffner. Er ritzte sich mit der Spitze den Unterarm, etwas Blut quoll hervor. Sehr dunkles, fast schwarzes Blut.
Er stillte die Blutung mit einem geübten Griff.
Leroque trat auf Petra zu, hielt ihr den Arm hin.
"Trink, mon amour! Trink und du wirst das ewige Leben erhalten. Das Leben eines Sterblichen ist wie ein flüchtiger Tag. Tausche es gegen die immerwährende Nacht!"
Einen Augenblick lang zögerte Petra, dann nahm sie seinen Arm, führte ihn an ihre Lippen heran. Zunächst nur sehr zögernd saugte sie an der Wunde, sog jenen geheimnisvollen Saft in sich hinein, der angeblich das Leben bedeutete.
Dann fühlte sie eine geradezu unheimliche Gier in sich aufkeimen. Schon der erste Tropfen des Vampirblutes hatte diese Empfindung in ihr geweckt. Ein Gefühl, dass sie in dieser Intensität bisher nie erlebt hatte. Heftiger und heftiger saugte sie an Leroques Unterarm.
Bis er ihr ihn schließlich mit einer ruckartigen Bewegung entriss.
"Genug!!"
Leroque wich etwas vor ihr zurück.
Petra fühlte das Blut von ihren Lippen rinnen.
"Was geschieht jetzt?", fragte sie.
"Du wirst die Veränderung spüren. Schon in wenigen Augenblicken..."
*
Gegenwart...
Chase ließ die Doppeltür mit einem Fußtritt auseinander fliegen. Er betrat den großen Saal des Norstrilia-Hotels im Norden Brooklyns.
Die beiden Bodyguards, die Chase hatte ausschalten müssen, lagen reglos im Korridor.
Von der langen Tafel aus konnte man sie gut sehen.
Am Tisch saßen ausschließlich Männer.
Sie trugen Nadelstreifen-Anzüge.
Wodka-Flaschen standen herum.
"Hi!", sagte Chase, trat noch etwas weiter vor. "Scheint, als käme ich ein bisschen ungelegen, Jungs!"
Augenblicke lang herrschte eisiges Schweigen. Chase fixierte den Mann am Ende der Tafel mit seinem Blick. Das war Harry Danilov, der sich
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