Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Titel: Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
Vom Netzwerk:
hinter dem Fenster der Haustür etwas bewegte. Kurz darauf tauchte verzerrt hinter dem Milchglas eine Gestalt auf.
    »Was wollen Sie?«, ertönte Joes Stimme.
    Mit einem Kopfnicken bedeutete ich Rose, die Führung zu übernehmen.
    »Ich bin’s! Ich bin wieder da.«
    Der Schlüssel knirschte im Schloss, die Tür ging quietschend auf, und vor uns stand Joe in dreckigen Jeans und fleckigem Unterhemd. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er zumindest eine gewisse Erleichterung zeigen würde. Dass er Rose besorgt ansehen und unauffällig den Blick über sie gleiten lassen würde, auf der Suche nach offenen Wunden oder blauen Flecken. Schließlich war sie erst vierzehn, und sie war mehr als vierundzwanzig Stunden verschwunden gewesen.
    Aber nichts davon geschah. Stattdessen spuckte er einen großen Schleimbrocken in den Garten und fragte: »Hast du deinen Schlüssel vergessen, Kleine?« Dann drehte er den Kopf in meine Richtung, viel zu heftig, weil er bereits die Kontrolle über seinen Körper verloren hatte. Jetzt konnte ich auch seine Fahne riechen. Er musterte mich von Kopf bis Fuß, und ich wurde ganz kribbelig, weil mir bewusst wurde, dass ich mich wohl besser umgezogen hätte. Ich trug noch immer meine dreckigen Jeans, ein ebenso schmutziges Tanktop und meinen roten Ledermantel. Normalerweise verbarg der Mantel das Messer, das im Holster an meinem Oberschenkel steckte. Aber ausgerechnet jetzt stand ich so komisch da, dass der Griff herausschaute. Vermutlich konnte auch Joe ihn sehen.
    »Kenne ich Sie?«, fragte er.
    »Ich bin ... ich war, wollte ich sagen, eine Freundin von Lily.«
    »So.« Er ließ den Blick zwischen Rose und mir hin und her wandern. »Dann kommen Sie doch rein.«
    Rose sah mich an. Ich zuckte mit den Schultern. Wir folgten ihm nach drinnen, wobei »folgen« nicht ganz der richtige Ausdruck ist, da er bereits am Ende des langen Flurs war, der zum Wohnzimmer führte. Bis wir ihn eingeholt hatten, hockte er schon wieder in seinem Lieblingssessel, die Füße auf die Ottomane gelegt, und glotzte auf den Bildschirm, wo gerade ein Footballspiel lief.
    Er bemerkte, dass ich ihn anstarrte. »Ein Klassiker«, sagte er. »Die Cowboys haben es den Redskins damals so richtig gezeigt. Echt ein verdammt schönes Spiel.«
    »Stimmt. Ähm ... Ich wollte Sie übrigens was fragen.«
    »Schießen Sie los!« Er griff nach der Fernbedienung und stellte den Ton lauter.
    »Ich würde Rose gern eine Zeit lang zu mir nehmen. Ich glaube, Lily hätte das gefallen. Und Rose würde es, denke ich, ganz gut tun«, fügte ich rasch hinzu, bevor er mir widersprechen oder mich mit einer Frage unterbrechen konnte, auf die ich keine Antwort gewusst hätte. Dann hätte ich vielleicht schon verloren, bevor ich richtig losgelegt hatte. »Hier wird sie ja doch immer nur an all das Schlimme erinnert - den Tod ihrer Mom, dann die Sache mit Lucas Johnson, und jetzt auch noch der Mord an ihrer Schwester. Ein bisschen Abstand würde es ihr bestimmt leichter machen.« Ich räusperte mich. »Ich übernehme natürlich die volle Verantwortung«, sprach ich dann weiter. »Meine Wohnung liegt auch in einem anständigen Viertel. Vermutlich muss Rose den einen oder anderen Kurs in der Schule nachholen, aber ich glaube wirklich, insgesamt ist das im Moment das Beste für sie.«
    Joe zuckte nicht mal mit der Wimper, während ich meine Rede runterleierte. Sein Blick klebte am Bildschirm, sein Finger lag auf der Pausentaste der Fernbedienung. Einen Moment lang fürchtete ich, er hätte mich gar nicht gehört, und wollte schon von vorn beginnen. Wahrscheinlicher war allerdings, dass er einfach Nein sagen würde. Schließlich hatte er nicht die leiseste Ahnung, wer Alice Purdue eigentlich war.
    Aber dann drückte er auf die Taste, die das Video anhielt, und wandte mir den Kopf zu. »Na gut«, sagte er, und schon hatte er wieder auf die Taste gedrückt und sich in das Spiel vertieft.
    Na gut. Das war alles. Ich wusste nicht recht, was ich fühlen sollte: Freude, weil es so einfach gewesen war? Empörung, weil er sich so wenig aus seiner Tochter machte, dass er sie mit einer wildfremden Frau ziehen ließ? Mitleid, weil er den Schlägen, die das Leben austeilte, so wenig gewachsen war?
    Mir stand der Sinn nicht gerade danach, noch länger hier rumzuhängen. Er hatte mir Rose auf dem Silbertablett serviert. Also nichts wie weg, bevor er es sich anders überlegte!
    Ich fand Rose im Schlafzimmer, wo sie gerade Klamotten in einen Matchbeutel stopfte. »Nimm nicht

Weitere Kostenlose Bücher