Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
schon ganz schwindelig.
»Deacon«, murmelte ich. Es gab noch viel zu tun, zu suchen, zu planen, zu ermitteln. Aber ich benötigte frische Kraft. Ich brauchte Menschlichkeit.
Ich musste mich daran erinnern, warum ich so scharf aufs Kämpfen war und was ich zu gewinnen hoffte. Ich legte ihm die Arme um den Nacken, meine Haut kribbelte vor freudiger Erwartung. Ich wollte nehmen, fordern. Die dunklen Wirbel in mir drängten mich vorwärts, bettelten, ich möge ihn mit Haut und Haaren verschlingen. Ich möge ihn schlagen, verletzen, zerfetzen, um die kohlrabenschwarze Hitze dieses Manns, dieses Dämons, in mich aufzusaugen.
Wollust versetzte die Luft um uns herum in Schwingungen und tauchte sie in bunte Farben. Sanft, fast zögernd, legte er mir eine Hand auf die Wange. Aber nur ganz kurz, dann schlossen sich seine Finger um meinen Oberarm. Er zog mich an sich, als wolle er mich mit Haut und Haaren verschlingen. »Es gibt einen Weg«, sagte er leise und bedächtig, als würde er all seine Bedürfnisse unterdrücken, einschließlich des Wunsches zu sprechen.
Das Blut pochte mir in den Ohren, meine Sinne waren ganz auf Begierde ausgerichtet. Ich wollte nicht reden. Ich wollte ihn. Frustriert über die Ablenkung riss ich mich los.
Roh zog er mich zurück, seine Augen brannten sich in meine, dann schaute er rasch weg, ehe ich tief in ihn hineingesogen werden konnte.
»Was entspricht deiner Veranlagung, Lily?«, fragte er mit einer Stimme wie Schleifpapier. Seine Flügel breiteten sich aus und versperrten jeden Ausweg aus unserer Zimmerecke, als hätte er eine Betonwand um uns hochgezogen.
Ich kapierte. Der Dämon in ihm wollte raus. Und obwohl ich wusste, ich sollte ihm helfen, die dunkle Seite zurückzudrängen, unterließ ich es. Denn auch die dunklen Kräfte in mir strebten an die Oberfläche.
»Im Grunde deines Herzens, Lily, bist du da gut oder böse?«
Überrascht hob ich den Kopf, denn die Antwort auf diese Frage kannte ich inzwischen nicht mehr.
Er neigte den Kopf und sah mich an. Sein Blick wirkte durchtrieben und verschlagen und dennoch verlockend. Als ließen sich alle Probleme lösen, wenn ich ihm nur vertraute.
Glaube, Lily.
Langsam strich er mir über die Wange. Die zärtliche Berührung jagte ein elektrisches Kribbeln durch meinen Körper. Ein Finger fuhr abwärts zur Kette des Oris Clef, die Kuppe bewegte sich über das Metall, dann presste er die Hand auf den Edelstein und das verzierte Gehäuse.
»Ich kann einen Himmel aus der Hölle machen«, sagte er so leise, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Was gilt das Wo, wenn ich immer derselbe bin? Milton hatte recht, Lily: Du wärst immer noch dieselbe, im Grunde deines Herzens, in deinem Innern. Hol sie! Führe sie! Du hast den Schlüssel. Es ist dein Schicksal, Lily, und du hast es in der Hand, uns alle zu retten.«
Ich schüttelte den Kopf. Seine Worte brachte ich noch nicht ganz auf die Reihe. Das hier war Deacon. Ein Dämon, das ja, aber mein Anker, und was er da gesagt hatte ... Das konnte er nicht so gemeint haben, oder?
»Lily, du weißt, dass es so ist. Du kannst es fühlen. Ich weiß es, denn ich fühle es auch.«
Ich atmete tief ein. Ich zitterte, mein Kopf bewegte sich langsam vor und zurück. Mein Vertrauen in Deacon geriet ins Schwanken. Die Grundmauern dessen, was ich mir aufgebaut hatte, wankten. Aber gleichzeitig ...
Gleichzeitig überlegte ich, ob er nicht recht hatte. Vielleicht war es meine Bestimmung, zu regieren und die Zukunft zu beeinflussen. Zu regieren und die Welt, die sich in nicht einmal mehr zwei ganzen Tagen drastisch ändern würde, in ein Paradies zu verwandeln.
Es war verlockend. Herrschen - mit Deacon an meiner Seite. Die Gewissheit, dass ich am Ruder saß und alle, die ich liebte, um mich scharen konnte.
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich leise. Die dunklen Kräfte in mir kuschelten sich an mich ran. Sie füllten mich mit Wärme. Ein angenehmes Gefühl. Ein schönes Gefühl. Ein Gefühl von Sicherheit. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Dann lass mich dir helfen.«
»Willst du wirklich, dass ich die Herrschaft übernehme?« Ich sah zu ihm auf, Tränen schossen mir in die Augen. »Was ist mit der Suche nach dem Dolch? Mit deiner Erlösung?«
Er wandte sich ab. »Es gibt keine Erlösung. Nicht für mich. Aber ich habe dir immer gesagt, wir würden das alles gemeinsam durchstehen.« Er drehte sich wieder um. In seinen Augen sah ich Entschlossenheit und Lust. Aber nicht Lust auf mich, sondern auf
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