Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
drückte mir das Armband in die Hand. Das Metall war warm, weil sie es auf der Haut getragen hatte, und auf einmal wollte ich es tragen, weil sie es angehabt hatte. Doch als ich es über mein Handgelenk schob, musste ich an Reese denken. An das viele Blut. Das Armband kitzelte mich, aber ich hatte keine Ahnung, ob es an der Magie oder an meinen Nerven lag.
Silla zog die Ringe systematisch von ihrer Kette und streifte sie rasch über ihre Finger. »Ich dachte immer, sie wären nur so zur Beruhigung, aber mein Leben lang … hat mein Vater eine Rüstung für mich aufgebaut.« Sie lächelte mich an. So ein schönes Lächeln hatte ich noch nie gesehen.
Die Fensterscheibe klirrte, als etwas dagegenprallte.
Wir machten einen Satz nach hinten.
Eine Krähe flog immer wieder gegen die Scheibe. Silla rannte zum Fenster und schrie: »Hau ab!«
Noch ein Schrei und noch einer, und dann kreischten alle Krähen auf uns ein.
Ich war direkt am Fenster und stellte mich dicht hinter Silla. Ein großer Schwarm flog durch unseren Hinterhof. Wie hundert zum Leben erweckte Schatten. Ihr Gefieder glänzte im hellen Nachmittagslicht. Als eine Krähe geradewegs auf das Fenster zu schoss, machte Silla einen Schritt zurück und stieß heftig mit mir zusammen.
In dem Moment sah ich es. Als ich durch die fliegenden Vögel spähte, entdeckte ich Eric.
Er hing drei Meter über dem Erdboden am Waldrand in einem Baum. Sein Hemd war von oben bis unten mit Blut beschmiert.
59
Nicholas
Ich war wie gelähmt, obwohl mein Herz raste. Silla drehte sich blitzschnell um, kramte in meinem Schreibtisch und fand eine Schere, die sie wie ein Miniaturschwert ausstreckte.
Die Krähen waren wieder gelandet. Ich hörte nur ein leises mechanisches Brummen. Meine Anlage: Die C D war zu Ende. Als ich die Anlage ausschaltete, sah ich, dass meine Hände zitterten. Ich musste mich zusammenreißen. Aber so viel Blut, genau wie bei Reese …
Ich hätte mich vergewissern müssen, dass Eric sicher zum Auto kam. Das hier war meine Schuld. Ich ballte die Fäuste und drückte sie mir auf die Augen, als könnte ich so die Erinnerungen verdrängen.
»Nick?«
Ich ließ die Hände sinken, als ich ihre leise Stimme hörte. »Entschuldige, aber … wir haben immer noch keinen Plan.«
»Wir müssen sie bannen. Mit diesem Fluch, mit dem sie meinen Vater gebunden hat. Sodass er sich nicht befreien konnte, als sie ihn umbrachte.«
»Du meinst, wir sollen sie in ihren Körper bannen?«
»Genau.« Silla ging zu der Zauberkiste, holte eine Rolle mit rotem Garn und ein Stück Bienenwachs heraus und packte alles in die große Tasche vorn auf ihrem Sweatshirt. »Wir brauchen eine kleine Schachtel«, sagte sie, als sie wieder bei mir war. »Zum Beispiel eine Streichholzschachtel oder einen Pappkarton,
irgendwas, worin wir sie versiegeln können. Außerdem müssen wir natürlich ihren Körper finden.«
»Alles klar.«
Sie strich mir über die Wange. »Kann sein, dass es klappt, kann aber auch sein, dass es schiefgeht«, sagte sie noch.
»Ich weiß.« Ich drehte mein Gesicht und küsste ihre Fingerspitzen. Dann beugte ich mich vor und küsste sie auf den Mund.
Und Silla stand nur da, sie schien nicht mal zu atmen.
Als ich mich wieder aufrichtete, öffnete sie die Augen. Ich sah sie mir genau an, den Schwung ihrer Lider, die festen gebogenen Wimpern. »Silla.«
»Ja?« Sie blickte mich an, entschlossen und ein bisschen wild. »Das geht schon, Nick. Wir können es schaffen.«
Dazu konnte ich nichts sagen.
Silla
Während Nick oben nach einer geeigneten Schachtel suchte, wartete ich unten mit den Zutaten für den Bannfluch, die ich in der Kängurutasche von Reeses Sweatshirt verstaut hatte.
Draußen standen die Krähen auf dem Rasen, als wollten sie eine schwarze Decke zwischen der Hintertür und dem Waldrand bilden, wo Eric hing. Ich versuchte, tief und ruhig zu atmen. Jetzt ging es ums Ganze. Ich würde Josephines Körper finden und sie an ihn fesseln, damit sie bis in alle Ewigkeit in der Falle saß. Ich tastete im Sweatshirt nach der Schere.
Nick kam die Treppe runter und zeigte mir ein Metallkästchen mit einer gemalten Lilie auf dem Deckel. »Meinst du, das geht?«
»Das will ich hoffen.« Ich klappte es auf. Innen klebte eine Visitenkarte von Lilith am Deckel. Ich nahm sie heraus und Nick warf sie auf den Boden.
»Uups. Die hab ich wohl verloren.« Er zog die Augenbraue hoch. Auch wenn er nicht wirklich lächelte, sah ich, wie viel Befriedigung es ihm brachte,
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