Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
als Einzigem auf Erden vergönnt, sie auf ewig zu lieben, ihr bis in alle Zeiten treu zur Seite zu stehen.
Ich bin als Mensch nie viel wert gewesen. Was hätte ich mit meinem kümmerlichen Leben schon anfangen, was hatte ich Großes schaffen und vollbringen können? Emilia war von jeher der Inhalt meines Lebens und der einzige Grund, weshalb ich ihm nicht längst freiwillig ein Ende gesetzt habe. Nun habe ich eine sinnvolle, eine ewige Aufgabe. Ich werde sie beschützen. werde mich für sie aufopfern, wie ich es bisher auch getan habe. Aber, bester George, ich will mich immer an Deine warnenden Worte erinnern, mir selbst treu zu bleiben und nicht unüberlegt mit den Möglichkeiten der Ewigkeit umzugehen. Nur eines habe ich geschworen: Ich werde Emilia dabei helfen, Rache an ihm, an diesem elenden Lügner, diesem Heuchler, zu verüben. Dies soll meine Mission sein, denn auch ich hasse ihn. ebenso wie sie es tut. Er hat mich ausgelacht und beleidigt und er hat - was mich am meisten trifft - Emilia unglücklich gemacht. Wie sollte ich ihm das jemals verzeihen?
Bitte, mein lieber Freund, wende Dich auch in Zukunft nicht von mir ab, wenn ich Dich um Rat bitte, sondern offenbare mir die Geheimnisse der Unendlichkeit. Teile Dein Wissen mit mir, damit ich sie nach und nach verstehen lerne - auch für Emilias Wohlergehen. Sie soll nicht noch mehr leiden müssen, sie soll, so gut es möglich ist, glücklich sein. Durch mich an ihrer Seite.
In ewiger Dankbarkeit und Treue
Henry
May saß mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett und starrte wie gebannt auf die Zeilen vor sich. Dann faltete sie vorsichtig den anderen Brief auseinander. Den, welchen Sarah erhalten und den May in Dustins Zimmer gefunden hatte. Tatsächlich, beide Briefe wiesen die identische Handschrift auf. Nur war einer mit dem Namen Henry unterzeichnet und schien nicht mit einem einfachen Kuli, sondern mit Tinte und Feder geschrieben zu sein.
May schüttelte den Kopf. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, wer dieser Henry sein mochte, noch, wovon er genau sprach. Eindeutig war nur, dass auch er von dem Geheimnis des ewigen Lebens wusste, anscheinend selbst zu einem Unsterblichen geworden war und Emilia kannte und sehr verehrte.
May griff nach dem nächsten Brief, den sie hatte mitgehen lassen. Es handelte sich um ein altes vergilbtes Stück Papier, das schon ganz zerknittert und abgegriffen war. Die Buchstaben darauf unterschieden sich eindeutig von denen auf dem vorherigen Brief. Sie schienen noch altertümlicher und May hatte Schwierigkeiten, die Worte zu entziffern, die mit roter Tinte geschrieben waren. Sie rückte näher an ihre Nachttischlampe und studierte die Zeilen, die in Versform verfasst waren.
Es wird dich dürsten bald nach Blut,
du wirst es brauchen, um zu sein.
Doch Nahrung spenden Wolf und Reh,
die Gier nach Menschenblut bringt Pein.
Nur dann, wenn Liebe ist gewiss,
ein Herz zum Geben ist bereit,
tragt ihr den Sieg über die Zeit
und brecht den Fluch der Ewigkeit.
Mehr nicht. May stutzte. Diese Zeilen waren wie eine gedichtete Kurzanleitung für ein Leben in der Unendlichkeit, wie ein beinahe poetisches Rezept mit den Angaben von Risiken und Nebenwirkungen. Als Unsterblicher brauchte man Blut, um zu existieren, jedoch nicht zwingend Menschenblut. Dieses barg sogar Gefahren, wenn man sich seiner Lust darauf unüberlegt hingab. Nur die wahre Liebe, ein freiwilliges Herz, konnte einen erlösen.
May wendete das Blatt - keine Anrede, keine Unterschrift, nichts. Vorsichtig strich sie das Papier glatt und legte es auf den bereits gelesenen Brief. Dann griff sie nach dem vorletzten Bogen. Gespannt faltete sie ihn auseinander. Die Schrift darauf ähnelte derjenigen des Gedichts, aber der Brief schien neuer zu sein. May hielt das Papier gegen das Licht. Es war weiß und glatt und anscheinend auch nur mit einem einfachen blauen Kuli und nicht mit roter Tinte beschrieben.
Henry, mein Freund!
Ich habe sehr lange über Deinen Brief nachgedacht, der mich vor einigen Tagen erreicht hat. Ich will ehrlich mit Dir sein. Ich bin der Ansicht, Du solltest dich so schnell wie möglich von Emilia abwenden, um Dein eigenes Glück in die Hand zu nehmen. Die Dinge scheinen, wie Du sie mir beschreibst, aus dem Ruder zu laufen. Es tut mir furchtbar leid für das Mädchen, aber ich glaube, dass es für sie bereits zu spät ist. Mir scheint, sie hat sich aufgegeben, um ihre Rachepläne in die Tat umzusetzen. Jemand, der sich bereits so sehr der dunklen
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