Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
Er ist nie gerne ohne uns gefahren, war immer voller Sorge, wenn er uns in dem großen Haus allein zurücklassen musste. Aber da meine Mutter eine schwere Lungenentzündung hinter sich hatte, sah er es als vernünftiger an, uns in England zu wissen.
Es war schon dunkel, als jemand an unserer Haustür läutete. Draußen war es stürmisch und der Regen prasselte nur so herab. Es blitzte und donnerte - an ein schlimmeres Unwetter kann ich mich nicht erinnern. Wir hätten die Türe damals nicht öffnen sollen, dann wäre vielleicht nie etwas geschehen. Aber meine Mutter hatte schon immer ein großes Herz. Sie glaubte, es sei vielleicht jemand, der unsere Hilfe benötigte, als es laut und fordernd gegen die Haustür klopfte.
»Man kann doch niemanden bei diesem furchtbaren Wetter vor der Tür stehen lassen. Mach auf, Rose«, forderte sie unsere Gouvernante auf. Ich weiß noch genau, wie mir ein Schauer über den Rücken lief, als sie öffnete und im gleichen Moment ein greller Blitz das Antlitz des Fremden aufleuchten ließ. Der Mann war groß und trug einen dunklen Mantel. Er war vollkommen vom Regen durchnässt, die schwarzen, schulterlangen Haare klebten strähnig an seinem knochigen Schädel, sein Gesicht war hager und bleich und von tiefen Furchen durchzogen. Die Augen lagen in dunklen Höhlen und waren rot unterlaufen. Er sah schrecklich aus - und ich habe bei seinem Anblick nichts als Grauen empfunden. Aber als meine Mutter ihn erblickte, schlug sie die Hände vor Überraschung über dem Kopf zusammen und rannte voller Freude auf ihn zu.
»George«, rief sie. »George, das ist doch nicht möglich! Komm herein, um Himmels willen, du bist ja völlig durchnässt. Was machst du hier? Wir dachten, du wärst nicht mehr in England, nachdem wir nichts weiter von dir gehört haben.«
»Ich bin zurück«, antwortete er tonlos, ohne seine Miene zu verändern oder ihre Freude zu erwidern. Er starrte uns nur der Reihe nach an - erst meine Mutter, danach mich, Rose und Henry -, ausdruckslos und aus stumpfen, trüben Augen.
George war ein alter Freund der Familie, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Mein Vater hat mir später gebeichtet, dass George bereits mit meiner Mutter verlobt gewesen war, bevor er und sie sich kennengelernt hatten. Und als George sie seinem besten Freund Edward vorstellte, haben sich meine Mutter und mein Vater sofort ineinander verliebt. George ist nach der Hochzeit der beiden verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Bis zu jenem Abend ...«
Emilia machte eine kurze Pause und Dustin ließ sich an der Wand entlang zu Boden sinken. Er sah den Mann buchstäblich vor sich, sah seine grausamen kalten Augen. Und er ahnte, dass sich in Emilias Geschichte etwas Schreckliches anbahnte, das verriet der gequälte Ausdruck in ihrem Blick. Erwartungsvoll sah er sie an.
»George aß mit uns zu Abend, und Rose, Henry und ich haben uns anschließend sofort zur Ruhe begeben«, fuhr Emilia schließlich fort. »Ich wollte keinen Augenblick länger in Gegenwart dieses unheimlichen Menschen verbringen. Wie immer habe ich meiner Mutter einen Gutenachtkuss gegeben, bevor ich ins Bett gegangen bin - es war der letzte. Ich bin erst wieder aufgewacht. als sich seine kalten, knochigen Finger um meine Kehle gelegt haben. Sein schreckliches Gesicht war über meines gebeugt und ich dachte immerzu: Das ist der Tod, der leibhaftige Tod steht an meinem Bett und will mich mit sich nehmen. Sein Atem war kalt wie Eis.
»Edward soll leiden«, flüsterte George und scharfe, raubtierartige Zähne blitzten zwischen seinen rot verschmierten Lippen auf. »Er soll leiden wie noch nie in seinem Leben.«
Ich war wie gelähmt, konnte nicht atmen. Ich glaubte, ich müsse allein an seinem Anblick ersticken, und wollte um Hilfe schreien. Aber es kam kein Laut aus meiner Kehle und selbst wenn - es hätte nichts genützt. Rose und Henry haben in einem anderen Trakt des Hauses geschlafen und sie hätten nichts gegen George und seine Rachgier ausrichten können. Und was meine Mutter betraf - sie war zu jenem Zeitpunkt schon tot. George hat ihr, wie ich später erfahren habe, das Leben bis auf die Knochen aus dem Körper gesaugt. Er wollte sich an meinem Vater rächen, wollte, dass er alles verlor, was ihm wichtig war, wollte die Liebe zwischen meinen Eltern vernichten, indem er seiner einstigen Verlobten, die ihm das Herz gebrochen hatte, das Leben nahm.
»Er hat sich immer eine hübsche Tochter wie dich gewünscht, weißt du, Emilia? Schon
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