Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
all ihrer Wucht. Sie kam sich vor wie ein Nichts, ein kümmerliches Wesen, das voll und ganz seinem Schicksal ausgeliefert war.
Sarah schrie in ihrer Verzweiflung auf und warf sich auf die Couch. Am ganzen Körper zitternd kauerte sie sich zusammen und presste die Kissen gegen ihren Kopf. Sie wollte sie ersticken, diese schreckliche Angst. Ein paarmal schluchzte sie auf, dann kamen endlich die Tränen.
Jonathan saß auf seinem Bett und hörte Mays Mailbox erneut ab. Schon zum vierten Mal. Wieder lauschte er angestrengt auf jedes einzelne Wort, das Sarah verzweifelt und in Eile von sich gab.
»... Er hat mir dafür mein Blut zurückgegeben und seine Menschlichkeit wieder gegen die Unsterblichkeit eingetauscht, damit er überhaupt eine Chance gegen sie hat. Jonathan behauptet, er selbst hätte bereits einen Plan und jemanden, der ihm hilft ... diesen George. Es wäre vielleicht gut, wenn du versuchst, Jonathan irgendwie zu -«
»... zu helfen«, murmelte Jonathan. Ja, nichts anderes hatte Sarah sagen wollen, bevor der Akku seines blöden Handys schlappgemacht hatte. Sie bat May inständig darum, ihm zu helfen. Jonathans Körper entspannte sich allmählich wieder. Er lächelte und sprang auf. Ja, natürlich. Sarah ... Sie war ein Engel, ein Schatz! Sie hatte sein Handy gefunden und wollte nicht untätig herumsitzen, sondern ihm in dieser heiklen Situation beistehen, wollte ihm einen weiteren Helfer an die Seite stellen. Und es gab nur eine Person, die verstand, worum es bei der ganzen Sache ging. Ihre beste Freundin May. Sarah wusste ja nicht, konnte ja nicht ahnen, dass Jonathan von jetzt an niemanden mehr brauchte - weder George noch May, von der er sich noch nicht einmal sicher sein konnte, ob sie ihm tatsächlich immer die ganze Wahrheit gesagt hatte. Er sprang zum Fenster, riss es auf und holte tief und befreit Luft.
Das Beste, das Allerbeste war: Sarah hatte ihm die Lösung für all ihre Probleme verraten, unwissend, was dies für Jonathans Pläne bedeutete. Dustin war wieder unsterblich. Er hatte in seinem Brief an Jonathan nur geblufft. »Schlau gedacht, Dustin, wirklich schlau ...«, zischte Jonathan durch zusammengebissene Zähne, »aber leider geht dein Plan nicht auf. Unser Waffenstillstand ist hiermit beendet. Ich werde dich mit Haut und Haaren Emilia ausliefern. Pünktlich und mit einem Lächeln auf den Lippen.« Jonathan sah die Szene bereits vor sich: Emilias anerkennenden Blick, der jedoch keine Bedeutung mehr für ihn hatte, weil von jetzt an Sarah das Wichtigste in seinem Leben war. Dustins erschrockener Gesichtsausdruck, wenn er merkte, dass Jonathan ihn überlistet hatte, dass er in eine Falle getappt war ...
Jonathan schloss genüsslich die Augen. Seit Langem hatte er sich nicht mehr so stark, so wach und siegessicher gefühlt. Nach endlosen Zeiten des Hoffens und Leidens schlug sich die Gerechtigkeit auf seine Seite. Endlich fügte sich alles, endlich machte wieder alles Sinn.
»Jonathan? He, Jonathan, warte doch!«
Jonathan drehte sich suchend um und May rannte auf ihn zu. Anscheinend hatte er das Campusgelände gerade wieder verlassen wollen.
»May ... Ich hatte dich auch schon gesucht. Ich dachte, ich frage jetzt mal bei Denny’s nach dir. Er deutete in die Richtung des alten Fastfood-Restaurants, in welchem May gestern Abend umsonst auf ihn gewartet hatte.
»Ja, ich habe ewig dort auf dich gewartet. Warum ... bist du denn nicht gekommen?«, keuchte May außer Atem. »Ich dachte schon, dir wäre etwas passiert.«
»Nein, nein, es ist alles in bester Ordnung. Ich wurde nur aufgehalten. Von Emilia ...« Jonathan verdrehte genervt die Augen. »Komm, wir setzen uns auf die Bank da drüben, dann können wir uns kurz unterhalten.«
May sah Jonathan verwundert von der Seite an. Er kam ihr mit einem Mal ungewöhnlich entspannt vor. So hatte sie ihn schon lange nicht mehr erlebt. Seine Augen glänzten geradezu. Selbst vorhin, als er Emilias Wohnung verlassen hatte, war ihr sein Ausdruck noch düster und grimmig erschienen. Irgendetwas musste demnach in der Zwischenzeit vorgefallen sein.
»Vielleicht wäre es ganz gut, wenn du mir mein Handy zurückgeben würdest«, schlug May zaghaft vor. »Dann könntest du mir das nächste Mal Bescheid geben, wenn dir etwas dazwischenkommt. Immerhin rennt uns allmählich die Zeit davon.«
Jonathan antwortete nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern. Sie setzten sich nebeneinander auf eine der Bänke vor dem Wohnheimgebäude.
»Und? Gibt es
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