Blood Shot
»Ich habe mit der Polizei gesprochen.«
»Und ihnen alles erzählt, was du weißt.«
»Soviel Zeit hatte Lieutenant Mallory nicht. Ich hab' ihm erzählt, mit wem ich am Tag vor dem - dem Überfall gesprochen habe. Du warst auch dabei. Und du warst nicht besonders freundlich, mein Lieber, und er wollte die Namen aller Personen, die sich mir gegenüber feindselig verhalten haben.«
Murray kniff die Augen zusammen. »Ich bin mit dem Vorsatz, Mitgefühl an den Tag zu legen, hierhergekommen. Aber du schaffst es immer wieder, die zärtlichen Gefühle deiner Mitmenschen mit Füßen zu treten.«
Ich verzog das Gesicht. »Wie komisch, Lieutenant Mallory hat dasselbe gesagt.«
»Jeder einigermaßen vernünftige Mensch würde so reagieren ... Okay. Die Geschichte des Überfalls. Ich habe nur die Erklärung des Krankenhauses für die Polizei. Die Meldung kam gestern auf allen vier Fernsehkanälen, falls dir das ein Gefühl von Bedeutung gibt.«
Tat es nicht. Es gab mir ein Gefühl von Verwundbarkeit. Wer immer versucht hatte, mich im Sumpf zu versenken, würde mit Sicherheit wissen, daß ich wieder herausgekrochen war. Insofern hatte es auch keinen Sinn, Murray um Diskretion zu bitten. Soweit es mir möglich war, erzählte ich ihm alles.
»Ich nehm's zurück, V. I.«, sagte er, als ich geendet hatte. »Es ist eine gräßliche Geschichte, auch wenn die meisten Einzelheiten fehlen. Du hast das Recht, den Schwanz einzuziehen.«
Trotzdem versuchte er, mehr aus mir herauszukriegen, und gab erst Ruhe, als das Mittagessen - bestehend aus Huhn und verkochten Erbsen - gebracht wurde, dem meine Bettnachbarin folgte. Von der Oberschwester bekam ich einen strengen Tadel dafür, daß meine Besucher die arme Frau aus ihrem Bett vertrieben hatten. Da Murray soviel Platz einnimmt wie ein ausgewachsener Grizzly, hielt sie es für angebracht, auch ein paar Bemerkungen an ihn zu richten, woraufhin er etwas verlegen die Flucht ergriff.
Nach dem Essen informierte mich eine kleine asiatische Hilfsschwester, daß Dr. Herschel Massagen und Wärmebehandlung angeordnet hatte. Sie brachte mir einen Bademantel und half mir besorgt in einen Rollstuhl, mit dem sie mich in den Keller des Krankenhauses fuhr. Dort verbrachte ich eine höchst angenehme Stunde mit Packungen, Bestrahlungen, Massagen und einem zehnminütigen Bad im Whirlpool. Auf dem Rückweg in mein Zimmer fühlte ich mich schläfrig und freute mich auf mein Bett. Aber es sollte nicht sein: Ron Kappelman saß auf dem Besucherstuhl. Er klappte eine Aktenmappe zu, als er mich sah, und hielt mir einen Topf mit Geranien entgegen.
»Es scheint Ihnen besser zu gehen, als man vor vierundzwanzig Stunden hätte erwarten können«, sagte er sachlich. »Es tut mir sehr leid, daß ich Ihren Nachbarn nicht ernst genommen habe. Ich war der Meinung, daß Ihnen etwas Wichtiges dazwischengekommen ist. Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie er mich dazu hat bringen können, den weiten Weg zu diesem Sumpf zu fahren.«
Ich machte es mir im Bett bequem. »Mr. Contreras ist leicht erregbar, zumindest was mein Wohlbefinden anbelangt. Aber heute bin ich nicht in der Stimmung, ihn dafür zu tadeln. Haben Sie etwas über diesen Versicherungsbericht herausgefunden? Oder warum Jurshak zum Treuhänder ernannt worden ist?«
»Ich glaub', Sie sollten sich erholen und sich nicht wegen ein paar alter Akten den Kopf zerbrechen«, sagte er mißbilligend.
»So nennen Sie sie also? Am Dienstag sind Sie deswegen ziemlich in Aufregung geraten. Warum sind es heute alte Akten?« Flachliegen war keine gute Idee; ich war in Gefahr, einzudösen. Ich stellte das Kopfende des Betts hoch.
»Weil Sie ausgesehen haben, wie Sie ausgesehen haben, als der alte Mann Sie zum Zaun geschleift hat. Ich glaube nicht, daß sie das wert waren.«
Ich forschte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Drohung oder Lügen oder sonst etwas. Aber ich sah nur männliche Besorgnis. Was bewies das?
»Bin ich deswegen im Sumpf abgeladen worden? Wegen des Berichts an Mariners Rest?«
Er schien verwirrt. »Vermutlich. Ich habe es angenommen, weil wir darüber gesprochen haben, und dann waren Sie zum verabredeten Zeitpunkt nicht zu Hause.«
»Haben Sie irgend jemandem erzählt, daß sich der Brief in meinem Besitz befindet, Kappelman?«
Er beugte sich vor, sein Mund eine dünne, harte Linie. »Ich mag die Wendung nicht, die dieses Gespräch nimmt, Warshawski. Wollen Sie andeuten, daß ich irgend etwas mit dem zu tun habe, was Ihnen gestern
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