Blood Sun
kam, hatte ihn überrascht. Wenn er den Hubschrauber nicht schnell genug von der Sandbank in die Luft bekam, würden die Wassermassen sie mitreißen.
Riga stand an der offenen Tür und blickte flussabwärts. Falls Max Gordon und der andere Kerl sich am seichten Uferrand oder unter den überhängenden Bäumen versteckten, würde die Welle sie erfassen und hierherspülen. Doch bis jetzt waren sie nicht zu sehen.
Der Pilot schrie etwas. Riga konnte ihn nicht verstehen, da er die Kopfhörer nicht aufhatte, sah aber an der Panik des Mannes, dass sie wirklich losmussten. Riga nickte. Gleich darauf spürte er, wie sie abhoben. Es versetzte ihm einen Stic h – er wollte nicht, dass Max Gordon in diesem Sturm umkam. Der Junge sollte so lange am Leben bleiben, bis er ihn von Angesicht zu Angesicht töten konnte.
Max spürte, dass das Floß gleich auseinanderbrechen würde. Die Rinde und die Palmenblätter, die sie zum Zusammenbinden verwendet hatten, hielten diesen gewaltigen Naturkräften einfach nicht stand. Auf einer Seite waren sie noch nicht gerissen und dort klammerte Xavier sich mit der Lederbank unter der Brust fest. Max band das lange Seil um das Holzstück mit dem Stahlbeschlag. Er sah in einiger Entfernung eine etwas ruhigere Stelle im Wasser, die von Felsbrocken begrenzt wurde.
»Da vorne!«, rief Max. »Da müssen wir hin!« Er packte das Holzstück und zeigte Xavier mit einer angedeuteten Wurfbewegung, was er vorhatte. Er hoffte, dass sich das Brett an den Felsen neben dem Ufer verkeilen würde, dann könnte Xavier sich mithilfe des Seils dorthin ziehen. »Hast du verstanden?«
Xavier nickte unglücklich. Max warf das nietenbeschlagene Holzstück in einem Bogen über das Wasser. Seine Schulter tat dabei höllisch weh. Das andere Seilende schlang er um Xaviers Faust. Er zog ihn auf die Beine und sah zu, wie sich das Seil spannte.
»Los, Xavier, jetzt oder nie!«
»Nie wäre vielleicht besser«, rief Xavier, aber er hatte keine Wahl mehr, denn die Floßteile unter ihm brachen bereits auseinander. Xavier sprang und binnen Sekunden stürzte auch Max ins Wasser.
Prustend tauchte Max wieder auf und machte hektische Schwimmbewegungen, um oben zu bleiben. Er sah Xavier, der weiter die Lederbank und das Seil festhielt. Der Junge gelangte ins ruhigere Gewässer und hatte gute Chancen, ans Ufer zu kommen. Xavier war also erst mal in Sicherheit. Max jedoch wurde von der Strömung fortgezogen. Dann hörte er ein Geräusch. War das der Wind? Nein, es klang anders. Eher wie ein Schnellzug. Oder ein Wasserfall!
Max verschluckte sich, hustete und keuchte. Er durfte jetzt nicht in Panik geraten, sondern musste einen klaren Kopf behalten. Seine Kräfte verließen ihn. Sosehr er sich auch anstrengte, gegen diese Flutwelle konnte er nicht gewinnen. Er hatte seinem Körper, der gegen die Entzündung in seiner Schulter ankämpfte und fiebrig war, viel zu viel zugemutet.
Fühlte es sich so an, wenn man ertrank? Um Max herum wurde alles still. Der Wind und der tosende Fluss waren verstummt. Er hatte Wasser in den Ohre n – vielleicht hörte er deswegen nichts mehr.
Max breitete die Arme aus und versuchte auf dem Rücken zu schwimmen. Über ihm schwebte der Dunst des Wasserfalls, der ihn an weiße Wolken erinnerte. Er hatte alle viere von sich gestreckt und hoffte, in dieser Haltung irgendwo anzustoßen, egal wo, damit er nicht weiter zu der Stelle trieb, wo der Wasserfall in den Fluss hinabstürzte.
Er schaukelte an der Oberfläche, wurde von einer Welle erfasst, die ihm übers Gesicht schwappte und seinen Körper unter Wasser drückte. Da er keine Zeit gehabt hatte, Luft zu holen, schloss er einfach die Augen und ließ sich vom Wasser herumwirbeln. Manchmal kannst du nicht dagegen ankämpfen, dann musst du einfach mitgehen, Junge. Versuche dabei nicht an das zu denken, was um dich herum geschieht, sondern an etwas Schönes. Wie oft hatte sein Vater ihm gesagt, dass Geist und Körper zusammenarbeiten mussten?
In diesen letzten Augenblicken sehnte er sich jedoch nicht nach seinem Vater, sondern vor allem nach seiner Mutter und ihrer Liebe.
Max stieß durch die Wasseroberfläche und wurde nach oben gedrückt. Er konnte nun wieder sehen und atmen, doch gleich würde das Wasser wieder auf ihn einstürzen und ihn herabziehen. Noch einmal so lange unter Wasser herumgeschleudert zu werden, würde er nicht überleben. Diesmal würde er ertrinken. Das war sicher besser so.
Für einen Moment glaubte er, der Hubschrauber wäre
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