Blood Sun
weiter als ruhiger Fluss entlangfloss. Diese Männer hatten zersplittertes Holz gefunden, das zum Teil noch von Stricken zusammengehalten wurde, die jemand aus Palmenblättern gedreht hatte. Das waren Trümmer des Floßes. Der weiße Ledersitz, der unterhalb des Wasserfalls zwischen zwei Felsblöcken klemmte, räumte die letzten Zweifel aus dem Weg, dass es sich um Max’ Floß handelte.
Riga hatte den vier Männern befohlen, an beiden Seiten des Nebenflusses nach Leichen zu suchen, die womöglich ans Ufer geschwemmt oder irgendwo hängen geblieben waren. Bis jetzt hatten sie keinen Erfolg. Riga schickte einen anderen Trupp los, der alle kleinen Inseln und Nebenarme in der Umgebung absuchen sollte. Wenn Max überlebt hatt e – Riga hielt dies allmählich für höchst unwahrscheinlic h –, musste er noch in der Nähe des Flusses sein.
Riga hatte die Landkarten eingehend studiert. Es gab natürlich abgelegene Siedlungen tief im Regenwald, deren Bewohner von Jagd und Fischfang lebten, aber von hier aus konnte niemand sie zu Fuß oder schwimmend erreichen. Am Tag des Sturms war sicher auch kein Fischer unterwegs gewesen. Riga wusste, dass die Leute im Dschungel nur sehr einfache Boote ohne Motoren hatten, die bei einem derartigen Unwetter nicht zu steuern waren. Ohne Boot konnte Max Gordon auch nicht gerettet werden. Falls der Junge noch lebte, konnte er logischerweise nicht weit von einem dieser Seitenarme entfernt sein.
Das kleine Dorf von Orsino Flint lag nicht im Suchgebiet der Hubschrauber. So weit konnte Max Gordon es nicht geschafft haben. Hätten seine Verfolger von Flints ventilatorbetriebenem Boot gewusst, wären sie ausgeschwärmt wie Vampirfledermäuse und hätten die ganze Gegend unsicher gemacht.
»Die suchen immer noch nach dir«, sagte Flint zu Max. »Entweder hast du jemanden schwer verärgert oder du weißt etwas, was du nicht wissen solltest. Hab ich Recht?«
»Mit Booten oder Hubschraubern?«
»Hubschrauber, drei Stück. Weit weg von uns, wir wissen’s aber trotzdem. Wer so viele Jahre hier draußen gelebt hat, merkt, wenn ein Vogel von einem Baum fällt. Die wollen dich unbedingt schnappen. Warum?«
Bevor Max ihm irgendetwas über sich erzählte, wollte er erst mal herausbekommen, wieso der erklärte Feind seiner Mutter ihn bei sich aufgenommen hatte.
»Haben Sie diese Hubschrauber früher auch schon mal gesehen?«, fragte Max ausweichend. »Sind die von der Armee oder von der Polizei oder vielleicht sogar von der Regierung?«
»Du glaubst, dass die Regierung hinter dir her ist?«
Flint schaute Max prüfend an. Der Junge hatte die gleichen Augen wie seine Mutter. Sie strahlten förmlich, wenn sie lachten, doch in ihnen lag auch eine wilde Entschlossenheit.
»In den letzten Jahren sind ein paar Umweltschützer in Mittelamerika ermordet worden, meistens von Leuten, die illegal Holz gefällt haben. Oder von Drogenschmugglern, denen sie in die Quere gekommen sind. So heißt es zumindest. Die Leichen wurden aber nie gefunden. Die Nachforschungen, die deine Mutter und dein Vater hier betrieben haben, haben ein paar böse Leute aufgeschreckt. Anscheinend hatten sie Angst, dass die beiden ihren krummen Geschäften auf die Schliche kommen würden.«
Max hatte ein flaues Gefühl im Magen. »Mein Vater? Sie wissen, dass mein Vater hier war? Mit meiner Mutter?«
»Alle kannten Tom und Helen Gordon. Das waren schreckliche Nervensägen. Den Regenwald zu retten ist eine Sache, den anderen vorzuschreiben, wie sie leben oder nicht leben sollen, ist eine ganz andere. Was gab ihnen das Recht, armen Menschen ihre Existenzgrundlage zu entziehen? Und was mache ich? Ich fische den Sohn dieser Besserwisser aus dem Fluss! Der nichts als Schwierigkeiten mit sich bringt. Ist das so was wie eine Erbkrankheit in eurer Familie? Andere Leute in Schwierigkeiten zu bringen? Ich hätte dich ersaufen lassen, wenn ich gewusst hätte, wer du bist.«
»Stimmt doch gar nicht. So gemein sind Sie nicht. Sie haben gesagt, dass Sie nichts mit dem Tod meiner Mum zu tun haben, und ich glaube Ihnen. Doch Sie wissen etwas darüber, oder? Können Sie mir sagen, was mit ihr passiert ist? Wie sie wirklich ums Leben kam?« Max packte Flint, ohne zu überlegen, am Arm.
Flint stieß ihn grob von sich. »Bringt jedermann das um, was er nicht liebt? Wer hasst ein Ding und brächt’ es nicht gern um?«
Langsam ging er Max auf die Nerven. »Sie bräuchten hier draußen einen Fernseher. Haben Sie außer den Werken von Shakespeare nichts
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