Blood Target: Thriller (German Edition)
Mehr wollte er mir nicht verraten.«
Victor nickte.
»Sie sind der Dritte von insgesamt vier, die wir auf der Liste hatten«, fuhr Muir fort. »Heute vor genau drei Wochen habe ich angefangen, Männer aufzuspüren, die sich im Verlauf der letzten zwölf Monate einer kosmetischen Operation am Ohr unterzogen haben.«
»Procter ist ein guter Chef.«
Muir nickte. »Das stimmt. Der beste.«
»Ich glaube zwar nicht, dass er Ihnen das gesagt hat, aber er beschützt Sie. Es gibt einen guten Grund, dass er Ihnen so wenig wie nur möglich über mich verraten hat. Wissen Sie, welcher das ist?«
Sie nickte erneut. »Damit Sie mich nicht als Risiko einstufen.«
»Die meisten wären nicht so aufmerksam. Sie würden nicht einmal darüber nachdenken.« Victor nippte an seiner Espressotasse. »Sie sollten ihm eine Karte schreiben, falls Sie das nicht schon längst getan haben.«
»Ich habe ihm einen Blumenstrauß geschickt.«
»Das letzte Opfer von Felix Kooi …«, fuhr Victor mit kurzem Nicken fort. »Wenn Sie ihn als Diplomaten im Jemen bezeichnen, dann heißt das im Klartext, dass er ein CIA -Agent im verdeckten Einsatz war, richtig?«
Sie zögerte einen Augenblick. »Das unterliegt der Geheimhaltung.«
»Selbstverständlich tut es das, Miss Muir.« Er trank den letzten Rest seines Espresso und stellte die Tasse auf die kleine Untertasse zurück. »Und darum muss ich Ihnen zu meinem Bedauern mitteilen, dass die vergangenen drei Wochen für Sie völlig umsonst waren. Weil es eines gibt, was Procter Ihnen unmissverständlich hätte klarmachen müssen: Ich dulde es unter gar keinen Umständen, dass mir entscheidende Informationen vorenthalten werden. Und falls es Sie interessiert, warum ich in diesem Punkt absolut rigoros bin, fragen Sie Ihren Chef. Er weiß es.« Victor stand auf. »Vielen Dank für den Kaffee. Er war wirklich köstlich.«
Kapitel 12
Andorra la Vella, Andorra
Der Mann mit den sandblonden Haaren beobachtete. Er beobachtete schon den ganzen Tag. Und er würde bis zum Abend weiter beobachten. Morgen auch. Und übermorgen vielleicht auch. Die ganze Zeit über nichts anderes als beobachten.
Manche Leute beobachteten nicht gern. Es war ihnen zu monoton, sodass sie anfingen, sich zu langweilen. Sie wurden selbstzufrieden. Wütend. Sie übersahen Details. Sie erfüllten ihre Aufgabe nicht. Sie waren faul.
Ganz im Gegensatz zu dem Mann mit den blonden Haaren. Ihm wurde nie langweilig. Er wurde nie wütend. Er war niemals faul. Er blieb immer konzentriert, ganz egal, um welche Uhrzeit. Ganz egal, wie lange er schon beobachtete. Ganz egal, wie die Umstände waren. So war es richtig, so sollte es sein, auch wenn es nicht immer so gewesen war. Als junger Mann hatte ihm die Geduld gefehlt. Da hatte er nach Aufregungen gelechzt. Aber das war die Torheit der Jugend. Jetzt war er in der Lage, die stilleren Momente des Lebens zu genießen. Er genoss sie, weil sie so selten und daher so besonders kostbar waren. Ja, er beobachtete gerne.
Es war eine ganz einfache Tätigkeit, das Beobachten, aber sie erforderte eine ganz besondere Fähigkeit. Jeder, der Augen hatte, konnte auch beobachten. Aber um erfolgreich zu beobachten, musste man selbst unsichtbar bleiben. Der Mann mit den sandblonden Haaren wusste, dass er niemand war, den man allzu leicht vergessen konnte. Er war so groß und breit, dass er aus jeder Menge herausstach. Sein Gesicht war scharf geschnitten. Seine Augen blieben denen, die einmal in ihre Tiefen geblickt hatten, für alle Zeit im Gedächtnis haften. Und doch gelang es ihm, trotz seiner auffälligen Erscheinung, sich in einen Mantel der Gewöhnlichkeit zu hüllen, den nur wenige durchdringen konnten.
Die schöne Landschaft und die Sonne schufen recht angenehme Bedingungen, aber freundliche Temperaturen und Umgebungen waren ihm nicht wichtig. Er hätte genauso gut mit Schnee bedeckt auf dem gefrorenen Untergrund liegen können. Für ihn bestand der eigentliche Genuss im Beobachten und nicht in den Umständen, unter denen es stattfand.
Eine aufgeregte Taubenschar hüpfte und flatterte vor seinen Füßen herum. So wild waren sie auf das Brot, das er ihnen zuwarf, dass sie sogar unter seinen Beinen und zwischen seinen Füßen hindurchhuschten. Quer auf seinem Schoß lag ein Baguette, ganz frisch von heute Morgen, und verströmte einen herrlichen Duft.
Er saß auf einer verzierten Eisenbank im Parc Central im Herzen der Stadt, die als Hauptstadt von Andorra fungierte. Das kleine Städtchen hatte nicht
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