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Blood Target: Thriller (German Edition)

Blood Target: Thriller (German Edition)

Titel: Blood Target: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wood
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einmal fünfundzwanzigtausend Einwohner, und während er schon überall auf der Welt die Erfahrung gemacht hatte, dass der Charme einer Stadt sich umgekehrt proportional zu ihrer Größe verhielt, bildete Andorra la Vella die Ausnahme von dieser Regel. Er empfand diese Stadt als grässlichen, seelenlosen Ort und die Häuser als Monstrositäten aus Beton. Selbst die umgebenden Berge konnten diesen Eindruck nicht verbessern. Sie waren hässliche Steinklumpen, die höchstens als ironisch gebrochene Postkartenmotive taugten. Er wäre jedenfalls nicht traurig gewesen, wenn sein Abstecher hierher bald ein Ende gehabt hätte.
    Der blonde Mann riss sorgfältig das weiche Innere des Baguettes heraus und formte es mit Zeigefinger und Daumen zu kleinen Kugeln. Nebenbei steckte er sich immer wieder ein Stück Rinde in den Mund.
    Die Tauben warteten ungeduldig auf das Brot, aber er schnippte ihnen erst dann eine Kugel zu, wenn sie vollkommen rund war. Vorher war er nicht zufrieden. Solche kleinen Details waren ihm sehr wichtig.
    Als die Brotkugel schließlich durch die Luft segelte, musste er angesichts des entstehenden Tohuwabohus ein Lächeln unterdrücken. Schon oft hatte er gesehen, wie die stärkeren Tauben auf der Jagd nach den Brotkugeln die kleineren rüde beiseitestießen. Sonst hätten die schnellsten oder die gerissensten sich das Futter geschnappt und wären davongeflattert, bevor ihnen jemand ihre Beute streitig machen konnte. Die schwachen und die langsamen blieben hungrig zurück. Es war der ewige Kreislauf des Lebens, der sich hier, direkt vor seinen Füßen, im Miniaturformat abspielte. Er spendete den Darstellern, die ihr Spiel mit solcher Leidenschaft vollzogen, im Stillen Beifall. So wild und doch so wunderschön. Bravo .
    Eine sorgfältig zurechtgemachte Frau mittleren Alters kam vorbei. Sie zerrte einen Hund hinter sich her, dem die Augen aus den Höhlen traten. Er war so klein, dass nicht einmal die Tauben Angst vor ihm hatten.
    »Sie sollten die Tauben nicht füttern«, sagte die Frau. »Sie sind eine Plage. Ungeziefer.«
    »So wie wir alle, Se ñ ora«, erwiderte der blonde Mann. »Aber wenigstens wollen die Tauben niemandem Pracht und Erhabenheit vorgaukeln.«
    Sie runzelte die Stirn und beschleunigte ihre Schritte.
    »Nörgler gibt es überall«, flüsterte er seinen Schauspielern zu.
    Er schnippte noch eine Brotkugel weg. Sie landete vor den Füßen der Frau, und die Tauben flatterten aufgeregt zu ihr. Sie kreischte auf und flüchtete und riss den winzigen Hund mit sich. Er japste.
    Dieses Mal unterdrückte er sein Lächeln nicht.
    Der Parc Central war einer der wenigen grünen Flecken innerhalb der Stadt, aber auch das Hochtal, das die Stadt umgab, schimmerte grün im Licht der Sommersonne. Die hübsche, junge Mutter und ihr Sohn kamen regelmäßig hierher, weil der Park dicht bei der Schule des Jungen war. Der Kleine hatte immer noch Spaß daran zu schaukeln und Karussell zu fahren und auf dem Klettergerüst herumzukraxeln. Sie waren meistens nach der Schule und manchmal auch am Wochenende hier. Der blonde Mann wusste das, weil sie nirgendwo hingingen, ohne dass er es wusste – ohne dass er in der Nähe war.
    Sie wohnten nicht weit entfernt in einer Wohnung. Sie war zwar klein, lag aber in einer der exklusivsten Gegenden der Stadt. Die Mutter arbeitete Teilzeit als stellvertretende Küchenchefin in einem guten Restaurant. Ihr Monatsverdienst deckte nicht einmal die Hälfte der Wohnungsmiete. Er hatte in dem Restaurant schon gegessen. Die Speisen waren wirklich ausgezeichnet, abgesehen vielleicht von etwas zu vielen gesättigten Fettsäuren.
    Die Mutter sah ihn natürlich gelegentlich, so wie sie auch andere Leute auf der Straße oder im Park sah, aber sie führte eine einfache Existenz, ohne jedes Bewusstsein für die Gefahren, die das Leben bergen konnte. Sie durchschaute nicht den Mantel der Gewöhnlichkeit, der ihn umgab. Sie hielt ihn für irgendeinen Mann. Einen Einheimischen vielleicht. Uninteressant und harmlos. Das Monster sah sie nicht. Aber das würde sie, sobald die Zeit gekommen war.
    Und diese Zeit rückte immer näher.

Kapitel 13
    Wien, Österreich
    Victors Hotel besaß einen Fitnessraum im Erdgeschoss. Er war rund um die Uhr geöffnet, sodass Victor ihn nachts, wenn keine anderen Gäste unterwegs waren, benutzen konnte. Heimtrainer, Crosstrainer, Laufbänder, Stepper und Rudergeräte, in Reih und Glied angeordnet, nahmen etwa drei Viertel der Fläche des hohen Raums ein. Im

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