Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
war, an dem wir über unsere Pläne sprechen konnten, einer, der weniger unheimlich war als Clarence’ Schlafzimmer. Wenn man bedachte, dass meine Fantasie bei einem Aufenthalt in diesem Haus häufig mit mir durchging, so konnten mich in der Wirklichkeit nur noch wenige Dinge überraschen. Aber nicht einmal in meinen wildesten Träumen hätte ich mir vorgestellt, dass das Wohnzimmer in eine Kunstgalerie verwandelt worden war.
Überall im Raum standen Staffeleien mit Leinwand. Selbst der Billardtisch war von einer großen Papierrolle bedeckt. Die Themen der Bilder waren breit gefächert. Einige zeigten lediglich Farbspritzer, andere erstaunlich realistische Darstellungen von Gegenständen und Leuten. Inmitten der Kunstwerke sah ich einen Haufen Aquarell- und Ölfarben.
Einen Moment lang verschwanden alle Gedanken an Clarence und Keith aus meinem Kopf. »Was ist das denn?«
»Hausaufgaben«, antwortete Adrian.
»Hast du … hast du mit deinen Kursen nicht gerade erst angefangen? Warum hast du so viel aufbekommen?«
Er ging zu einer Leinwand hinüber, die eine kreisende, rote Linie über einer schwarzen Wolke zeigte, und tupfte vorsichtig darauf, um festzustellen, ob die Farbe trocken war. Während ich das Bild betrachtete, versuchte ich, mir darüber klar zu werden, ob ich wirklich eine Wolke sah. Das Bild hatte etwas beinahe Anthropomorphes.
»Natürlich habe ich nicht so viel aufbekommen, Sage. Aber ich musste dafür sorgen, dass ich meine erste Aufgabe schaffe. Es bedarf vieler Versuche, bevor man Vollkommenheit erzielt.« Er hielt inne, um darüber nachzudenken. »Na ja, bis auf meine Eltern. Sie haben es beim ersten Versuch hinbekommen.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Nachdem ich während der beiden letzten Wochen beobachtet hatte, wie wild Adrians Stimmung hin und her geschwankt war, war es schön, ihn jetzt in einem Aufwind zu erleben. »Also, das ist umwerfend«, gab ich zu. »Was stellen die Bilder dar? Ich meine, das da verstehe ich.« Ich zeigte auf das Gemälde eines Frauenauges, braun und mit langen Wimpern, und dann auf ein weiteres, das Rosen darstellte. »Aber die anderen stehen einer, ähm, eher kreativeren Interpretation offen.«
»Wirklich?«, fragte Adrian und wandte sich wieder dem rauchigen Gemälde mit dem roten Streifen zu. »Ich dachte, es wäre eindeutig. Das hier ist Liebe. Erkennst du es nicht?«
Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht habe ich auch keinen ausreichend künstlerischen Verstand.«
»Vielleicht«, pflichtete er mir bei. »Sobald wir deinen Kumpel Keith haben auffliegen lassen, werden wir über meine geniale Kunst diskutieren, soviel du willst.«
»Genau«, sagte ich und wurde wieder ernst. »Wir müssen seine Wohnung nach Beweisen durchsuchen. Ich dachte, die beste Methode wäre, wenn ich ihn aus dem Haus locke und du in seiner Abwesenheit einbrichst. Um das Schloss aufzubekommen … «
Adrian winkte ab. »Ich kann ein Schloss knacken. Wie bin ich deiner Ansicht nach früher wohl an den Schnapsschrank meiner Eltern gekommen?«
»Hätte ich mir ja denken können«, versetzte ich trocken. »Pass nur auf, dass du überall nachsiehst, nicht nur an den offensichtlichen Stellen. Er könnte Geheimfächer in den Wänden oder in den Möbeln haben. Du musst Phiolen mit Blut oder metallischer Flüssigkeit finden oder sogar das Werkzeug, mit dem er bei Clarence gearbeitet hat.«
»Kapiert.« Wir heckten noch einige weitere Einzelheiten aus – einschließlich der Frage, wen er anrufen sollte, wenn er etwas fand – und wollten gerade aufbrechen, als er fragte: »Sage, warum hast du mich in dieser Sache als Komplizen ausgesucht?«
Ich überlegte. »Ein Ausschließungsprozess, glaube ich. Jill soll aus Schwierigkeiten herausgehalten werden. Eddie wäre ein Gewinn, aber er musste mit ihr und Lee in die Schule zurückfahren. Außerdem wusste ich bereits, dass du keine moralischen Bedenken hättest, in ein Haus einzubrechen.«
»Das ist das Netteste, was du je zu mir gesagt hast«, erklärte er mit einem Grinsen.
Danach machten wir uns auf den Weg zu Keith. Im Erdgeschoss seines Gebäudes brannten alle Lichter, was eine allerletzte Hoffnung darauf vernichtete, dass ich ihn vielleicht nicht würde herauslocken müssen. Eigentlich hätte ich bei der Suche gern geholfen. Ich setzte Adrian ab und fuhr dann zu einem rund um die Uhr geöffneten Restaurant, das draußen am anderen Ende der Stadt lag. Ich stellte mir vor, dass es wie geschaffen dafür war, Keith von
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