Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
worden?«
»Nicht direkt«, sagte ich. »Keith, ähm, musste nur sehr schnell etwas finden, bevor er ging.«
Lee rang die Hände und schaute sich noch ein Weilchen länger um, bevor er sich wieder zu mir umdrehte. »Und er kommt nicht zurück?«
»Wahrscheinlich nicht.«
Lee machte ein langes Gesicht, was mich überraschte. Ich hatte immer den Eindruck gehabt, dass er Keith nicht mochte. »Wird ein anderer Alchemist an seine Stelle treten?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich. Über dieses Thema waren noch immer einige Debatten im Gang. Weil ich Keith gemeldet hatte, war ich nicht durch Zoe ersetzt worden, und Stanton erwog jetzt, mich einfach als einheimische Alchemistin einzusetzen, da die Arbeit leicht war. »Bis jemand Neues kommt, wird es vielleicht eine Weile dauern.«
»Also sind Sie die einzige Alchemistin in diesem Gebiet«, wiederholte er und klang dabei noch trauriger.
Ich zuckte die Achseln. »In Los Angeles gibt es schon einige.«
Das munterte ihn unerklärlicherweise ein wenig auf. »Wirklich? Könnten Sie mir sagen, wo Sie … «
Lee brach ab, als sein Blick auf das offene Jahrbuch zu meinen Füßen fiel. »Oh«, sagte ich und hob es auf. »Nur ein Forschungsprojekt, an dem ich arbeite … «
»Kelly Hayes.« Der fröhliche Gesichtsausdruck war verschwunden.
»Ja. Haben Sie schon mal von ihr gehört?« Ich griff nach einem Fetzen Papier und benutzte ihn als Lesezeichen für die Seite, die Kelly Hayes gewidmet war.
»Das könnte man sagen«, erwiderte er.
Ich wollte gerade fragen, was er damit meine, doch dies war der Moment, in dem ich es sah. Der Artikel, den man zu Kellys Ehren verfasst hatte, enthielt Fotos von allen Abschnitten ihres Highschool-Lebens. Wenig überraschend zeigten die meisten sie beim Sport. Es gab aber auch einige andere, darunter eins vom Schulball. Sie trug ein atemberaubendes, blaues Satinkleid, das ihre athletische Figur aufs Beste zur Geltung brachte, und schenkte der Kamera ein breites Grinsen, während sie einen Arm um ihren umwerfenden, in einen Smoking gekleideten Verehrer gelegt hatte.
Lee.
Ich riss den Kopf hoch und sah Lee an, der mich jetzt mit einer unverständlichen Miene musterte. Ich wandte mich wieder dem Foto zu und betrachtete es eingehend. Bemerkenswert war nicht der Umstand, dass Lee auf dem Foto war – obwohl ich noch nicht herausgefunden hatte, was ich damit anfangen sollte. Was mich eher frappierte, war das Timing. Dieses Jahrbuch war fünf Jahre alt. Lee wäre damals vierzehn gewesen, und der Junge an Kellys Seite, der mir entgegenschaute, war gewiss nicht so jung. Der Lee auf dem Foto sah genauso aus wie der Neunzehnjährige, der mir gegenübersaß. Doch das konnte unmöglich sein. Moroi waren nicht unsterblich. Sie alterten wie Menschen. Ich blickte wieder auf und überlegte, ob ich fragen sollte, ob er einen Bruder hätte.
Lee ersparte mir die Frage jedoch. Er betrachtete mich lediglich mit trauriger Miene und schüttelte den Kopf. »Scheiße. Ich habe nicht gewollt, dass es dazu kommt.«
Und dann holte er ein Messer heraus.
KAPITEL 24
E s ist merkwürdig, wie man in Augenblicken unmittelbarer Gefahr reagiert. Einerseits war ich in Panik, mit rasendem Herzen und schnellem Atem. Das hohle Gefühl, als tue sich in meiner Brust ein Loch auf, stellte sich ein. Zugleich konnte ich unerklärlicherweise immer noch logisch denken, im Wesentlichen solche Dinge wie: Yup, mit so einem Messer könnte man eine Kehle aufschlitzen. Und davon abgesehen? Davon abgesehen war ich einfach verwirrt.
Ich blieb, wo ich war, und sprach weiterhin leise und gleichmäßig. »Lee, was ist los? Was ist das?«
Er schüttelte den Kopf. »Verstellen Sie sich nicht. Ich weiß, dass Sie es wissen. Sie sind zu klug. Ich wusste, dass Sie dahinterkommen würden, aber ich hatte es einfach nicht so schnell erwartet.«
Meine Gedanken überschlugen sich. Wieder einmal glaubte jemand, ich sei klüger, als ich wirklich war. Ich nahm an, sein Vertrauen in meine Intelligenz sollte mir schmeicheln, aber in Wahrheit wusste ich nach wie vor nicht, was los war. Ich hatte jedoch keine Ahnung, ob es ein Vor- oder Nachteil sein würde, das zuzugeben. Also beschloss ich, so lange wie möglich gelassen zu bleiben.
»Das sind Sie auf dem Foto«, sagte ich, sorgfältig darauf bedacht, es nicht wie eine Frage klingen zu lassen.
»Natürlich«, bestätigte er.
»Sie sind nicht gealtert.« Ich riskierte einen schnellen Blick auf das Foto, um mich noch einmal zu vergewissern. Es
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