Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
wissen? Sie haben sich den größten Teils Ihres Lebens jeden Genuss versagt. Sie stehen abseits der anderen. Sie haben sich nie gestattet, selbstsüchtig zu sein, und sehen Sie sich an, wohin Sie das geführt hat. Ihre Moral hat Ihnen ein kurzes, strenges Leben eingetragen. Können Sie mir jetzt, so kurz vor Ihrem Tod, tatsächlich sagen, dass Sie sich nicht wünschten, Sie hätten sich vielleicht ein klein wenig mehr Spaß gegönnt?«
»Aber die unsterbliche Seele … «
»Was schert mich die?«, unterbrach er mich. »Warum sollte man sich die Mühe machen, ein elendes, eingeschränktes Leben auf dieser Welt zu führen, in der Hoffnung, dass unsere Seelen vielleicht in ein himmlisches Reich hinübergehen, wenn ich doch jetzt gleich die Kontrolle ergreifen kann, um sicherzustellen, dass ich für immer auf dieser Welt lebe, mit all ihren Freuden! Dass ich für immer jung und stark bleiben werde? Das ist die Wirklichkeit. Das ist etwas, an das ich glauben kann.«
»Es ist Unrecht«, wandte ich ein. »Das ist es nicht wert.«
»Das würden Sie nicht sagen, wenn Sie erlebt hätten, was ich erlebt habe. Wenn Sie ein Strigoi gewesen wären, würden Sie das auch nie wieder verlieren wollen.«
»Wie haben Sie es verloren?«, hakte Adrian nach. »Welcher Geistbenutzer hat sie gerettet?«
Lee schnaubte. »Sie meinen, mich beraubt. Ich weiß es nicht. Alles ging so schnell. Aber sobald ich ihn finde, werde ich – ahh!«
Ein Jahrbuch ist nicht die großartigste aller Waffen, vor allem nicht, wenn es die Größe des Jahrbuchs der Amberwood hat, aber in einer Zwangslage – und mit dem Moment der Überraschung – kann es genügen.
Zuvor hatte ich bemerkt, dass ich die Knoten nicht so bald öffnen könnte. Das stimmte auch. Ich hatte diese ganze Zeit dafür gebraucht, aber ich hatte es schließlich geschafft. Aus welchem Grund auch immer, das Knotenschürzen stand jedenfalls als eine nützliche Fähigkeit auf dem Alchemistenlehrplan, eine, die ich während meiner Kindheit mit meinem Vater geübt hatte. Sobald ich mich von Adrians Krawatte befreit hatte, griff ich nach dem Erstbesten, was mir in die Hände kam: Kellys Juniorjahrbuch. Ich sprang auf und ließ es auf Lees Kopf niederkrachen. Er zuckte zurück und ließ dabei das Messer fallen. Ich nutzte die Gelegenheit, rannte durchs Wohnzimmer und packte Adrian am Arm. Er brauchte keine Hilfe meinerseits und versuchte bereits, sich hochzurappeln.
Wir kamen nicht weit, bevor Lee wieder über uns war. Das Messer war irgendwohin verschwunden, und er verließ sich einfach auf seine eigene Stärke. Er packte mich und riss mich von Adrian weg, eine Hand auf meinem verletzten Arm und eine in meinem Haar, so dass ich stolperte. Adrian eilte hinter uns her und tat sein Bestes, um Lee zu schlagen, selbst mit gefesselten Händen. Wir waren vielleicht nicht die effizienteste Streitmacht, aber wenn wir Lee nur einen Moment aufhalten konnten, bestand eine Chance, dass wir es aus der Wohnung schaffen würden.
Lee war von uns beiden abgelenkt und versuchte, gleichzeitig gegen uns zu kämpfen und uns abzuwehren. Ungebeten fiel mir Eddies Lektion wieder ein, dass ein gut platzierter Boxhieb auch jemandem, der stärker war als man selbst, ernsthaften Schaden zufügen konnte. Binnen Sekunden erfasste ich die Situation und war der Ansicht, eine Lücke gefunden zu haben. Ich schloss die Hand, wie Eddie es mich mit jener schnellen Lektion gelehrt hatte, und positionierte meinen Körper auf eine Weise, die das Gewicht auf eine effiziente Weise nutzen sollte. Dann holte ich aus.
»Au!«
Vor Schmerz heulte ich auf, als meine Faust Lee traf. Wenn das die sichere Art und Weise war zu boxen, konnte ich mir nicht vorstellen, wie sehr ein nachlässiger Hieb schmerzen würde. Glücklicherweise schien es Lee genauso große Schmerzen zu bereiten – wenn nicht mehr. Er stolperte zurück und gegen den Fernsehsessel, verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden. Zwar war ich über das, was ich getan hatte, ein wenig verblüfft, aber Adrian war noch immer in Bewegung. Lees gegenwärtige Orientierungslosigkeit ausnutzend, stieß er mich zur Tür.
»Kommen Sie, Sage. Das ist es jetzt.«
Wir eilten zur Tür und wollten fliehen, während Lee uns Schimpfworte nachrief. Ich streckte die Hand nach dem Knauf aus, aber die Tür öffnete sich, bevor ich ihn berührt hätte.
Und zwei Strigoi betraten den Raum.
KAPITEL 25
A ls wir damals nach Palm Springs gekommen waren, hatte ich mich über Keith lustig gemacht
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