Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
meisten Neue, so wie Jill. Nur einige wenige waren so alt wie ich und Eddie, und es überraschte mich zu sehen, dass er unbefangen mit den anderen plauderte. Aufgrund seiner Wachsamkeit vom vergangenen Tag hätte ich erwartet, dass er zurückhaltender wäre und weniger gut im normalen gesellschaftlichen Umgang – aber er passte sich der Gruppe perfekt an. Als wir näher kamen, ertappte ich ihn jedoch dabei, dass er seine Umgebung verstohlen musterte. Er mochte einen Schüler spielen, so wie ich – aber er war immer noch ein Wächter.
Gerade erzählte er uns, dass er seinen Mitbewohner noch nicht kennengelernt habe, als ein lächelnder Junge mit strahlend blauen Augen und rötlichem Haar auf sie zukam.
»Hi, alle miteinander«, sagte er. Aus der Nähe erkannte ich etliche Sommersprossen. »Bist du Eddie Melrose?«
»Ja, bin ich … « Eddie war mit dieser für Wächter ganz typischen Effizienz herumgefahren und hielt sich bereit, es mit der potenziellen Bedrohung aufzunehmen. Beim Anblick dieses Neuankömmlings erstarrte er jedoch. Seine Augen weiteten sich eine Spur, und was auch immer er hatte sagen wollen, es blieb unausgesprochen.
»Ich bin Micah Vallence. Dein Mitbewohner – und außerdem dein Einweiser.« Er deutete auf die anderen umherschlendernden Schüler und grinste. »Aber ich wollte dir vorher kurz Hallo sagen, weil ich erst heute Morgen kommen konnte. Meine Mom hat unsere Ferien ganz bis an die Grenze ausgedehnt.«
Eddie starrte Micah noch immer wie einen Geist an. Ich betrachtete ihn ebenfalls und fragte mich, was mir entging. Auf mich machte er einen ganz normalen Eindruck. Was auch immer hier vorgehen mochte, Jill hatte ebenfalls keinen Schimmer, denn auch sie betrachtete Micah mit vollkommen normaler Miene, ohne Erschrecken oder Überraschung.
»Schön, dich kennenzulernen«, sagte Eddie schließlich. »Das sind meine, ähm, Schwestern – Jill und Sydney.«
Micah bedachte uns beide mit einem Lächeln. Er hatte etwas an sich, das mir Unbefangenheit einflößte, und ich erkannte, warum man ihm die Aufgabe übertragen hatte, die Neuankömmlinge mit allem Wichtigen vertraut zu machen. Ich fragte mich nur, warum Eddie so eigenartig reagierte.
»In welchen Klassen seid ihr denn?«, fragte er uns.
»In der Zwölf«, antwortete ich. Dann fiel mir die Tarngeschichte wieder ein, und ich fügte hinzu: »Eddie und ich sind Zwillinge.«
»Ich bin in der Neun«, bemerkte Jill.
Während ich unsere Familie betrachtete, fiel mir auf, dass Eddie und ich wahrscheinlich ziemlich leicht als Geschwister durchgehen konnten. Unser Teint war ähnlich, und natürlich zählte da außerdem die Tatsache, dass wir beide wie Menschen aussahen. Auch wenn wohl kein Mensch Jill angesehen und zwangsläufig gesagt hätte: »Aha, Vampir!«, zeigte sie doch gewisse Eigenarten, die sie ungewöhnlich erscheinen ließen. Mit ihrem Körperbau und ihrer Blässe unterschied sie sich deutlich von mir und Eddie.
Wenn Micah den Mangel an familiärer Ähnlichkeit wahrnahm, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. »Nervös, weil du jetzt mit der Highschool anfängst?«, fragte er Jill.
Sie schüttelte den Kopf und erwiderte sein Lächeln. »Ich bin bereit für eine Herausforderung.«
»Also gut, wenn ihr etwas braucht, lasst es mich wissen«, sagte er. »Für den Moment muss ich diese Party in Gang bringen. Ich rede später noch mal mit euch.«
So, wie er seine Aufmerksamkeit gänzlich Jill schenkte, war offensichtlich, dass das »wenn ihr etwas braucht« an sie gerichtet war, und ihr Erröten zeigte, dass sie es ebenfalls wusste. Sie lächelte und hielt seinem Blick für einen Moment stand, dann sah sie schüchtern beiseite. Ich hätte es niedlich gefunden, wäre da nicht die bestürzende Aussicht gewesen, die sich daraus ergab. Jill befand sich schließlich in einer Schule voller Menschen. Es kam auf keinen Fall in Frage, dass sie mit einem davon ausging, und Jungen wie Micah durften nicht ermutigt werden. Eddie schien die Bemerkung nichts auszumachen, aber es lag wohl eher daran, dass er sich ganz allgemein Micahs wegen Sorgen machte.
Micah rief unsere Gruppe zusammen und begann mit der Orientierungsveranstaltung. Beim ersten Teil handelte es sich einfach um eine Führung über das Gelände. Wir folgten ihm hinein in klimatisierte Räume und wieder hinaus, während er uns die wichtigen Gebäude zeigte. Er erklärte das Shuttlesystem, dann fuhren wir mit dem Bus zum Westcampus, der beinah ein Spiegelbild des Ostcampus war.
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