Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
Bibliothekspersonal der Amberwood setzte mir ziemlich zu, weil ich Getränke mit in die Bibliothek bringen wollte, aber als ich meinen Auftrag erklärte, winkten sie mich zu den hinteren Büros durch. Offenbar war Ms Terwilligers Sucht hier wohlbekannt.
In der Bibliothek war überraschend viel los, und ich begriff schnell, warum. Von einem gewissen Zeitpunkt am Abend an durften Jungen und Mädchen die Wohnheime des anderen Geschlechts nicht mehr betreten. Die Bibliothek war länger geöffnet, daher hing man hier miteinander herum. Viele waren auch einfach zum Lernen da, darunter Julia und Kristin.
»Sydney! Hier drüben!«, rief Kristin in einem Bühnenflüstern.
»Befrei dich von Terwilliger«, fügte Julia hinzu. »Du kannst es schaffen.«
Im Vorbeigehen hielt ich den Kaffee hoch. »Machst du Witze? Wenn sie nicht bald ihr Koffein bekommt, gibt es kein Entrinnen mehr für mich. Ich komme zurück, wenn ich kann.«
Während ich weiterging, sah ich eine kleine Gruppe, die sich um irgendjemanden versammelt hatte – und hörte eine vertraute, aufreizende Stimme. Greg Slade.
Neugierig ging ich zum Rand der Gruppe hinüber. Slade gab mit etwas an seinem Oberarm an: einer Tätowierung.
Das Muster selbst war nichts Besonderes: ein fliegender Adler, so in der typischen Art, wie sie alle Tätowier-Studios vorrätig hatten und massenhaft kopierten. Was meine Aufmerksamkeit aber erregte, war die Farbe. Die Tätowierung war ganz in einem kräftigen, metallischen Silberton gehalten. Metallicfarben waren nicht so leicht hinzukriegen, nicht mit diesem Schimmer und dieser Intensität. Ich kannte die Chemikalien, aus denen meine eigene goldene Tätowierung bestand. Die Formeln waren vielschichtig, die Substanz war aus mehreren seltenen Zutaten zusammengebraut.
Slade unternahm eine halbherzige Anstrengung, leise zu sprechen – Tätowierungen waren hier schließlich verboten – , aber es war klar, dass er die Aufmerksamkeit genoss. Ich schaute still zu, dankbar dafür, dass andere meine Fragen für mich stellten. Natürlich warfen diese Fragen bei mir nur weitere Fragen auf.
»Die glänzt stärker als die, die sie sonst machen«, bemerkte einer seiner Freunde.
Slade hielt den Arm schräg, so dass sich das Licht in der Tätowierung verfing. »Etwas Neues. Sie sagen, die seien besser als die vom letzten Jahr. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber es war nicht billig, das kann ich euch verraten.«
Der Freund, der gesprochen hatte, grinste. »Du wirst es bei den Testspielen merken.«
Laurel – das rothaarige Mädchen, das sich für Micah interessiert hatte – streckte neben Slade ein Bein aus und entblößte einen schmalen, mit einer verblassten Schmetterlingstätowierung verzierten Knöchel. Keine Metallicfarben. »Ich lasse mir meins mal auffrischen, vielleicht zum Klassentreffen, wenn ich das Geld von meinen Eltern bekomme. Wisst ihr, ob die Celestials in diesem Jahr auch besser sind?« Beim Sprechen warf sie das Haar zurück. Nach dem, was ich in meiner kurzen Zeit in Amberwood beobachtet hatte, war Laurel im Hinblick auf ihr Haar sehr eitel und warf es mindestens alle zehn Minuten einmal zurück.
Slade zuckte die Achseln. »Hab nicht nachgefragt.«
Laurel bemerkte, dass ich zuschaute. »Oh, he. Bist du nicht die Schwester dieses Vampirmädchens?«
Mir blieb das Herz stehen. »Vampir?«
»Vampir?«, wiederholte Slade.
Wie hat sie das herausgefunden? Was soll ich bloß tun? Ich hatte gerade damit angefangen, eine Liste von Alchemisten zusammenzustellen, die ich anrufen musste, als eine von Laurels Freundinnen kicherte.
Laurel blickte in die Runde, lachte hochmütig und drehte sich dann wieder zu mir um. »Wir haben beschlossen, sie so zu nennen. Kein menschliches Wesen kann so bleiche Haut haben.«
Vor Erleichterung wäre ich fast in mich zusammengesackt. Es war ein Scherz – zwar einer, der der Wahrheit schmerzhaft nahe kam, aber dennoch ein Scherz. Trotzdem kam mir Laurel wie jemand vor, der man lieber nicht in die Quere kam, und es war besser für uns alle, wenn der Witz bald in Vergessenheit geriet. Zugegeben platzte ich nun mit der erstbesten Bemerkung heraus, die mir einfiel und die vom Thema ablenkte. »He, hier sind noch seltsamere Dinge geschehen. Als ich dich das erste Mal gesehen habe, dachte ich, dass niemand so langes oder so rotes Haar haben könnte. Aber ich habe keinen Ton über Haarverlängerungen oder Färben verlauten lassen.«
Slade krümmte sich fast vor Lachen. »Ich hab’s gewusst! Ich
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