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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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das wissen Sie ja. Was glauben Sie denn, wie Dick Whittington Oberbürgermeister von London geworden ist?« Hartang erwiderte, er kenne keinen Dick Whittington. »Was springt für die dabei raus?« wollte er wissen. »Wie er schon sagte, Ihre Sachkenntnis. In erster Linie Geld. Datenautobahnkram ist teuer. Eins muß man Kudzuvine lassen: Er hat Ihnen einen Gefallen getan.«
    Das war eine riskante Aussage. Hartang war noch nicht soweit, sich oder anderen einzugestehen, Kudzuvine tue ihm irgendwelche Gefallen.
    »Und eins steht fest«, sagte Bolsover. »Sobald Sie offiziell annehmen, sitzt Dos Passos im Flugzeug und verschwindet. Er wird bereits überwacht.«
    Das war ein überzeugendes Argument. Hartang erklärte sich bereit, Rektor von Porterhouse zu werden. »Ist schon erstaunlich, wie sich die Dinge verändern«, sagte Schnabel, als sie wegfuhren. »Ich würde noch nicht behaupten, daß er zivilisiert ist, aber die Entwicklung ist eingeläutet. Ich könnte mir vorstellen, daß er in zwei Jahren stubenrein ist.« »Porterhouserein«, korrigierte Bolsover.

33
    Der Praelector saß in der Frühlingssonne auf einer Bank und sah ein paar Kindern beim Kämpfen zu. Es war unendlich viele Jahre her, daß er sich im Gras gewälzt und versucht hatte, einen anderen Jungen unterzukriegen, doch er konnte sich noch lebhaft erinnern, was für ein Spaß das gewesen war, auch wenn er verlor. Und jetzt hatte er zum erstenmal seit vielen Jahren wieder Spaß, diesmal allerdings den Spaß, den ein richtiger Sieg mit sich brachte. Natürlich standen ihm noch etliche Schlachten bevor. Zum einen mußte Hartang gebändigt werden, denn selbst in diesen derben Zeiten ging es nicht an, daß ein Rektor am High Table allzu häufig Worte wie »Arschgesicht« in den Mund nahm. Doch der Praelector beabsichtigte, Hartangs Charakterbildung den anderen Fellows und der Atmosphäre des Colleges mit seinen vielen kleinen Förmlichkeiten zu überlassen. Seine drängenderen Probleme waren ganz anders geartet. Er mußte den Collegerat dazu bringen, Hartangs Ernennung zu bestätigen, und ein so schwieriges Unterfangen hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht bewältigen müssen. Selbst die genialsten Gelehrten von Cambridge hatten keine Ahnung von der politischen Brisanz im Finanzwesen und in der Industrie. Sie waren in einem Wohlfahrtsstaat aufgewachsen und hatten die zwanziger und dreißiger Jahre nicht erlebt, als die Armen so richtig hungrig gewesen waren, als Männer, Frauen und Kinder verhärmte bleiche Gesichter hatten und als es noch Suppenküchen der Heilsarmee gab. Einige Akademiker mochten von solchen Dingen gelesen haben, aber selbst erlebt hatten sie es nicht. Statt dessen machten sie bei nostalgischen Possen und Pseudohungermärschen mit, ihre wohlgenährten Gesichter vor Gesundheit strotzend und ihre Füße in warmen, gutbesohlten Schuhen, und wenn sie dann voller Selbstgerechtigkeit nach Hause geeilt waren, beglückwünschten sie sich in zentralbeheizten Häusern bei Räucherlachs und Coqauvin zu ihrer aufrechten Gesinnung. Und überall wurden sie per Fernsehen und Hochglanzillustrierte von echtem Leid und wahrem Elend auf Distanz gehalten oder dagegen immunisiert. Der Praelector lebte schon zu lange, um die Zeit vor Beveridge zu vergessen. Jetzt mußte sich Porterhouse mit seiner Entscheidung abfinden oder untergehen. Es war sein letzter Kampf. Er stand auf, und auf dem Rückweg zum Hotel frohlockte er beim Gedanken an den Gesichtsausdruck des Dekans, wenn der die Neuigkeit erfuhr.
    Auch Purefoy Osbert und Mrs. Ndhlovo genossen den Sonnenschein. Sie saßen auf einer Bank unterhalb der Mauer, die Porterhouse umgab, hinter ihnen das alte Tor zum Fluß. Jetzt war es versperrt und der Fluß über hundert Meter weit entfernt, doch von diesem Tor aus waren die Rektoren und Fellows vor Jahrhunderten in die Boote gestiegen, um zu ihren Colleges zu gelangen, ohne sich dem Morast und Dreck der Straßen auszusetzen.
    »Ich mußte einfach vorbeikommen und dir alles erklären«, sagte sie. »Schließlich war es nur ein Scherz, kein sehr geschmackvoller, zugegeben, aber gute Scherze sind nun mal sehr selten.«
    Purefoy betrachtete finster ein paar Pferde, die vor ihnen auf der Weide grasten. Er hatte immer noch so seine Zweifel, was Mrs. Ndhlovo und ihre Schwester anging. Und er wußte nicht recht, ob er ihr auch nur ein einziges Wort glauben sollte. Andererseits war er insgeheim froh darüber, daß sie nie die dritte Frau des verblichenen Mr. Ndhlovo

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