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Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)

Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)

Titel: Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Sitzmann
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    Auf der Unterseite »Sie sucht Ihn«, wo sich die Damen vorstellen, waren ein paar Bilder mehr dabei, bei denen ich mich wirklich gefragt habe, warum eine – zumindest auf dem Foto – so toll aussehende Frau nicht längst vergeben ist. Nur weil sie eine Behinderung hat?
    Auf MyHandicapLove.de fällt außerdem auf, dass Frauen grundsätzlich seltener Bilder von sich zeigen als Männer. Vielleicht ist das so, weil Frauen nicht auf ihr Äußeres beschränkt werden wollen. Oder sie schämen sich eher für ihr Handicap, weil die Gesellschaft ja von Frauen viel mehr erwartet, dass sie top aussehen. Aber am Aussehen allein liegt’s doch sowieso nicht! Man verliebt sich ja in bestimmte Charakterzüge oder eine bestimmte Eigenart – wie sich die Person bewegt, in ihre liebliche Stimme, wie sie dich anschaut und in deine Richtung lächelt ...

    Allgemein gehen die Menschen erst einmal davon aus, dass der Behinderte allein bleibt, weil ihn keiner will, und dass Nichtbehinderte schon allein deswegen begehrt werden, weil sie nicht behindert sind. Was für ein Schwachsinn! Liebe und Anziehung sind hochkomplexe und vielfältige Gefühle. Es gibt sogar nichtbehinderte Menschen, die sich gerade von Menschen mit Behinderung angezogen fühlen. Ich selbst habe
ein paar Schreiben von Frauen bekommen, die sich sexuell für mich interessierten, gerade weil ich keine Beine habe. Für manche Menschen sind fehlende Beine ihr persönlicher Fetisch  – für mich zwar schwer nachvollziehbar, aber auch das habe ich schon erlebt. Genau so, wie manch einer auf große Busen und ein anderer auf blonde Haare steht, so ist die Vorliebe einiger Menschen eben das fehlende Körperteil.
    In der Tat kann in einer Behinderung etwas sehr Positives liegen, etwas, wodurch der Behinderte gegenüber einem Nichtbehinderten im Vorteil ist. Stellen Sie sich mal vor, Sie hätten die Wahl zwischen einem sehenden und einem blinden Masseur. Wen würden Sie bevorzugen? Ich würde auf jeden Fall den blinden nehmen, weil ein blinder Masseur alles durch die Hände sieht, viel mehr Gefühl in den Fingern hat und deshalb bestimmt unglaublich gut massieren kann. Und so wie Menschen ohne Sehkraft besser massieren und auch besser hören können, halten vielleicht Menschen, die nicht mehr laufen können, manche Dinge besser aus, weil sie das »aus-sitzen« perfekt beherrschen.

    Ob sich jetzt Behinderte lieber mit Nichtbehinderten zusammentun oder ob man lieber gemäß dem Motto »Gleich und gleich gesellt sich gern« sucht – ich denke, am wichtigsten ist, dass die Charaktere zueinander passen. Dass die Schnittmenge hoch ist. Mancher ist fröhlich, der andere eher reserviert, der eine ist bestimmend, der andere sucht die Harmonie. Menschen, die im Rollstuhl sitzen, sind ebenso wenig Heilige wie das »Fußvolk«. Oft summieren sich zusätzlich zum Rollstuhl noch diverse weitere Macken und Marotten. Vor diesem Hintergrund ist eine Beziehung zwischen zwei Menschen mit Handicap wahrscheinlich etwas einfacher als eine »gemischte« Beziehung, weil beide Partner die Sorgen oder den Unmut
des anderen aus eigener Erfahrung kennen. Beide wissen, wie es ist, mit einem Handicap durchs Leben zu gehen bzw. zu rollen, und wie schwierig sich der Alltag gestalten kann. Manchem Behinderten fällt es wahrscheinlich auch leichter, nicht dauernd einen nichtbehinderten Partner an der Seite zu haben und dadurch ständig zu sehen, was er oder sie nicht kann – während es der andere, der Nichtbehinderte, eben ganz mühelos schafft. Hierbei spielen oft Komplexe gegenüber Nichtbehinderten eine Rolle.

    Ich selbst wollte immer eine Beziehung zu einer nichtbehinderten Frau. Zum einen, weil ich mich nie wirklich behindert gefühlt habe. Zum anderen, weil ich meine Alltagsschwierigkeiten nicht verdoppeln wollte. Allein das Szenario »Wir machen einen Ausflug« stelle ich mir wahnsinnig anstrengend vor: Sie setzt sich ins Auto, ich lade ihren Rollstuhl ein, danach rolle ich auf die Fahrerseite, setze mich rein, lade meinen Rollstuhl ein ... Das hätte für mich keine Zukunft. Klar ginge vieles auch mit einer Frau im Rollstuhl. Ich habe in den vergangenen zwanzig Jahren zwei oder drei Rolli-Frauen getroffen, bei denen ich dachte: »Wow! Eine tolle Frau, auch wenn sie nicht läuft.« Aber ich wünsche mir, dass mich meine Partnerin dort, wo ich Hilfe brauche, unterstützen kann, und das geht in meiner Vorstellung eben nur, wenn sie keine Behinderung hat. Es ist wunderbar, jemanden zu

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