Blow Out (German Edition)
Independence besaß neben der Hauptplattform drei weitere Plattformen, und Emma wurde klar, dass es sich bei diesen Lichtern um die Verbindungsstege der einzelnen Plattformen untereinander handelte. Je näher sie kamen, desto weitverzweigter wurde das Lichtermeer.
»Scheiße«, rief Carlos, »das ist ein verdammtes Labyrinth. Wo zum Teufel müssen wir lang?«
»Zur Hauptplattform«, antwortete Nick.
»Natürlich zur Hauptplattform, culo , aber welches ist die beschissene Hauptplattform? Ich sehe nichts außer Lichtern.«
Emma legte Carlos den Arm auf die Schulter und zeigte nach vorn. »Steuere auf das höchste Licht zu, das du siehst. Dort drüben. Das muss der Bohrturm sein, und der befindet sich auf der Hauptplattform.«
»Nimm dir ein Beispiel an der Kleinen«, sagte Carlos zu Nick und schrie Roberto etwas zu. Sie zählten gemeinsam mit den Fingern auf drei und steuerten dann, in einer perfekt koordinierten Aktion, eine enge Linkskurve, wobei Roberto der Ventisca mit seinem Boot gefährlich nahe kam.
Mit unverminderter Geschwindigkeit rasten sie zwischen zwei v-förmig abzweigenden Verbindungsstegen auf das vermeintliche Positionslicht des Bohrturms zu. Querab zu beiden Seiten, am Ende der Verbindungsstege, zeichneten sich die Silhouetten der Nebenplattformen ab.
Ein schwarzer Schatten schälte sich vor ihnen aus dem Dunkel. Gewaltig, mächtig, eindrucksvoll, bedrohlich. Die Hauptplattform.
Sie näherten sich dem stählernen Koloss zu schnell, um Einzelheiten ausmachen zu können. Emmas Blick erfasste die Umrisse der imposanten Aufbauten, der riesigen Kräne sowie dem Labyrinth aus Rohren, Turbinen und Aggregaten. Hoch über den Aufbauten tauchte ein riesiger schwarzer Obelisk vor ihnen auf. Der Bohrturm.
Suchscheinwerfer flammten auf. Erst einer, dann zwei, schließlich ein dritter. Laserstrahlengleich durchschnitten ihre grellen Lichtkegel die Nacht und glitten suchend über das Wasser. Alles hing von den nächsten Sekunden ab. Sollten die Scheinwerfer sie erfassen, war Robertos Plan hinfällig. Sie mussten es ungesehen unter die Hauptplattform schaffen.
Die Lichtkegel kamen näher. Helle kreisrunde Flecken, die über das Meer tanzten. Unbeirrt schossen die Boote dicht nebeneinander weiter geradeaus. Einer der Lichtkegel schwenkte in einem weiten Bogen von rechts auf sie zu. Roberto brüllte etwas auf Spanisch, und Carlos riss das Boot nach links. Neben Emma spritzte eine Fontäne hoch, als sich die Ventisca brutal auf die Seite legte. Ein Schwall Wasser durchnässte Emma von oben bis unten. Sie schmeckte Salz und klammerte sich an die Schulterbügel, um nicht aus dem Boot zu fallen.
Für die Dauer eines Wimpernschlags schwenkte der Lichtkegel des Suchscheinwerfers über sie hinweg und blendete sie. Mitten in der Bewegung stoppte er und kehrte zurück. Verdammt.
Carlos und Roberto wiederholten ihr Manöver von soeben, schwenkten diesmal jedoch nach rechts und nahmen dann den ursprünglichen Kurs wieder auf.
Sämtliche drei Scheinwerfer schossen auf die Stelle zu, an der sich die beiden Boote noch vor einer Sekunde befunden hatten, dann folgten sie dem hellen Kielwasser. Von irgendwoher ratterten plötzlich Maschinengewehrsalven durch die Nacht.
Ein mächtiger Stützpfeiler tauchte wie aus dem Nichts direkt vor ihnen auf und flog in atemberaubendem Tempo auf sie zu. Eine Stahlwand mit einer Breite von fünfzehn Metern. Es stand außer Frage, dass sie an diesem Pfeiler zerschellen und ihre halsbrecherische Fahrt hier und jetzt enden würde.
Emma schrie auf, kniff die Augen zusammen und wartete auf den Aufprall … der nicht kam. Sie spürte, wie sich das Boot einmal mehr hart in die Kurve legte. Es gab einen heftigen Schlag, gepaart mit einem grässlichen Knirschen, als der Rumpf der Ventisca an dem Pfeiler entlangschrammte.
Das Boot schlingerte bedenklich, bevor Carlos es wieder in den Griff bekam. Sie öffnete die Augen und sah Roberto hinter der anderen Seite des Pfeilers hervorschießen.
Emma atmete tief durch. Zumindest hatten sie es bis unter die Plattform geschafft, wo man sie nicht so ohne weiteres entdecken konnte. Hoffte sie.
Wieder vereint, setzten die beiden Boote ihre Fahrt fort, und bereits kurz darauf kam die Andockstation in Sicht.
»Festhalten!«, rief Carlos und stellte die Motoren ab. Abrupt stoppte die Ventisca. Lautlos rauschten sie der Andockstation entgegen. Carlos hatte den Bremsweg hervorragend berechnet. Die letzten Meter schafften sie gerade noch schnell genug, um
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