Blow Out (German Edition)
nicht abzudriften. León und Jorge liefen zum Bug und schnappten sich jeder ein Seil. Sie warteten, bis die Wellen das Boot bis knapp unterhalb des Docks emporhoben, und sprangen dann hinauf. Geübt schlangen sie die Seile um die Poller und banden die Ventisca fest.
Emma sah Roberto nach, der sich in unvermindertem Tempo rasend schnell von ihnen entfernte. Schon verließ er das schützende Dach auf der gegenüberliegenden Seite der Bohrinsel. Augenblicklich flammten die Suchscheinwerfer wieder auf, jedoch gelang es ihnen nicht, das flinke Boot zu erfassen. Das war er, der Moment der Wahrheit. Wenn Robertos Plan funktionierte, würden die Wachen jetzt annehmen, das Boot, das sie die ganze Zeit über verfolgt hatten, wäre einfach unter der Bohrinsel hindurchgefahren. Roberto würde von jetzt an schnurstracks geradeaus fahren, um die Sperrzone auf direktem Weg zu verlassen. Die Wachen dürften auf eine Mutprobe besoffener Halbstarker tippen und rasch das Interesse an dem Vorfall verlieren. So lautete zumindest der Plan. Ob dieser auch aufging, würde sich bald zeigen.
Robertos Boot verschmolz mit der Nacht.
Kurze Zeit später erloschen die Scheinwerfer, und bis auf das Wellenrauschen herrschte nahezu vollkommene Stille. Die Suche nach Leuthards Beweisen konnte beginnen.
98
Die Suchscheinwerfer kehrten nicht wieder, und keine der Wachen hatte bisher den Weg hinunter zur Andockstation unternommen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Es war stockdunkel. Nur schemenhaft erahnte Emma die Umrisse des stählernen Kolosses über ihr. In einiger Entfernung erhob sich ein weiterer Pfeiler aus dem Meer. Zu seinen Füßen erstreckte sich ein längliches, bunkerähnliches Gebäude, bei dem es sich nur um den U-Boot-Hangar handeln konnte. Nick und Fuentes würden versuchen, sich Zutritt zu diesem Hangar zu verschaffen und das darin befindliche U-Boot irgendwie zum Laufen zu bringen. Derweil wollte Emma, unterstützt von Carlos, María und Jorge, den Weg hinüber zu Plattform drei in Angriff nehmen, um dort nach dem versteckten Engländer zu suchen. In ihrer Hosentasche befühlte sie Leuthards Skizze. Es würde kein leichtes Unterfangen werden, da sie über einen der Verbindungsstege mussten, auf dem sie ausgesprochen exponiert und dementsprechend leicht zu entdecken sein würden.
Carlos machte keine Anstalten, aufzubrechen. Emma entschied, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. »Wir sollten es so schnell wie möglich hinter uns bringen. Ich schlage vor …«
»Nein!«, schnitt Carlos ihr das Wort ab. »Wir geben den Wachen Zeit, um in die Aufenthaltsräume zurückzukehren.«
Emma deutete auf die vergitterte Wendeltreppe, die rund um den Pfeiler nach oben führte. »Bis wir oben sind, vergeht genügend Zeit.«
»Seit wann hast du mir etwas zu befehlen?«, funkelte Carlos sie an.
»Emma hat recht«, mischte sich Nick ein. »Bis wir oben sind, vergehen mindestens zehn Minuten, und jede weitere Minute, die wir hier unten vergeuden, erhöht unser Risiko.«
»Wir halten uns an den Plan«, bestimmte Carlos.
Emmas Augen verengten sich. »Gehen wir diesen Plan doch noch einmal gemeinsam durch, Carlos. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich ihn tatsächlich kenne.«
»Was willst du damit andeuten?«
»Schhht!«, ermahnte María ihren aufgebrachten Bruder.
»Lass es gut sein«, flüsterte Nick Emma ins Ohr. »Das bringt nichts ein. Außer Ärger.«
»Wenn ihr nicht mitzieht, dann wartet eben hier«, zischte Emma. Sie wartete, bis eine Welle die Ventisca anhob, und kletterte dann rasch aufs Dock.
Nick folgte ihr und hielt sie zurück. »Wir brauchen Fuentes. Ohne ihn geht es nicht.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr: »Etwas stimmt nicht. Ich traue den Kerlen nicht.«
»Ich auch nicht, aber für einen Rückzieher ist es zu spät.«
Eine Hand legte sich auf Emmas Schulter. Sie zuckte zusammen.
»Vamos!«, sagte Fuentes, der so dicht hinter ihr stand, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte. Er kontrollierte ein letztes Mal seine Waffen und marschierte in Richtung Treppe. Bis auf León, dem Carlos die Verantwortung über die Ventisca auferlegt hatte, folgten ihm alle. Carlos bedachte Emma dabei mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß.
»Dein Charme ist einfach überwältigend«, stellte Nick fest.
»Hab ein Auge auf Fuentes. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, dich mit ihm allein zu lassen. Mit dem stimmt was nicht. Der ist vollkommen durchgeknallt.«
»Das ist er.«
»Tja, wie du
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