Blow Out (German Edition)
Sind Sie vollkommen übergeschnappt? Das ist nicht akzeptabel, das ist Selbstmord!«
»Was bist du? Ein Mann oder ein Mädchen?« Fuentes grinste spöttisch.
»Die Strömung wird uns mitreißen, bevor wir auch nur einen Meter getaucht sind. Das ist Wahnsinn!«
Fuentes’ Gesichtszüge verhärteten sich. »Ich will dieses Boot, und ich werde es bekommen. Dich brauche ich nicht dazu. Tauche oder lass es bleiben.«
»Wir haben eine Abmachung.«
»Interessiert mich nicht. Geh mit mir, oder verpiss dich zurück zur Ventisca.«
Fuentes ließ ihn stehen und ging zu den Treppen. Prüfend rüttelte er an der angrenzenden Umzäunung und kletterte dann daran hoch. Oben angekommen, fixierte er das Dach des Hangars und sprang. Geschickt wie eine Katze landete er auf allen vieren und balancierte dann das gewölbte Dach entlang. Nick ahnte, was der Kubaner beabsichtigte. Die Strömung verlief parallel zum Hangar, und je weiter vorne Fuentes ins Wasser sprang, desto mehr Zeit blieb ihm, den Durchlass zu erreichen, selbst wenn ihn die Strömung mehrere Meter versetzen sollte.
Fuentes’ Vorhaben war Irrsinn, aber Nick blieb keine andere Wahl, als seinem Beispiel zu folgen. Das war er Emma schuldig, die ein paar Ebenen weiter oben ihr Leben riskierte. Der Sprung auf den Hangar gelang besser als erwartet, der Balanceakt auf dem Dach dagegen erwies sich als umso schwieriger.
Fuentes checkte gerade seine Taucherlampe, als Nick neben ihn trat. Beiläufig meinte er: »Du musst das nicht tun.«
»Springen wir.«
»Unter Wasser werden wir trotz der Lampe praktisch blind sein«, erklärte Fuentes. »Siehst du die Stahlträger, die unterhalb des Docks verlaufen? Orientiere dich daran. Sobald du sie nicht mehr über dir spürst, hast du den Durchlass erreicht und kannst auftauchen.«
»Und was, wenn ich die Orientierung verliere und im Meer auftauche?«
Fuentes grinste vielsagend und sprang, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, die gut und gern sieben Meter hinunter in das pechschwarze Meer, das ihn auf der Stelle verschluckte.
Nicks Magen rebellierte. Dann tat er einen großen Schritt nach vorn und folgte Fuentes in die Tiefe.
101
Sobald Emma den beleuchteten Verbindungssteg betrat, rannte sie los. Der Rest der Gruppe folgte ihrem Beispiel. Hier war es nicht mehr sinnvoll, Versteck zu spielen. Alle zwanzig Meter mussten sie den Lichtkegel einer der Lampen durchqueren, und jedes Mal kam sich Emma dabei wie auf dem Präsentierteller vor.
Carlos erreichte die Stahltür am anderen Ende als Erster und hielt sie auf, bis alle hindurchgeschlüpft waren. Kaum hatte Emma die Tür passiert, ging sie in die Knie, um kräftig durchzuschnaufen. Ihr Herz hämmerte, und ihre Oberschenkelmuskulatur war so überanstrengt, dass sie drohte zu verkrampfen. Immerhin, keine Sirenen schrillten, keine Suchscheinwerfer wurden angeschaltet. Eine kleine, fiese Stimme in ihrem Kopf erinnerte sie jedoch sogleich daran, dass sie denselben Weg auch wieder zurückmussten. Zuerst aber galt es, die richtige Pumpe zu finden. Diejenige, unter der die Mordwaffe auf sie wartete.
Plattform drei war nur sporadisch beleuchtet, weswegen sie zum ersten Mal die mitgebrachten Taschenlampen benutzten, um nicht über die vielen Rohre und Leitungen zu stolpern. Emma wagte es, ihre nähere Umgebung abzuleuchten. Sie musste lernen, sich anhand von Leuthards Skizze in dem Gewirr aus Pipelines zu orientieren.
Obwohl keiner von ihnen davon ausging, auf dieser Plattform auf eine Wache zu treffen, bewegten sie sich äußerst umsichtig. Niemand sprach.
Sie erreichten ihr Ziel, einen schmalen Durchgang, der zu beiden Seiten von mannshohen Pumpen gesäumt war. Leuthard zufolge musste gleich die erste Pumpe zu ihrer Rechten die gesuchte sein.
Entschlossen zog sich Emma die mitgebrachten Latexhandschuhe über. Falls sich auf dem Engländer tatsächlich noch DNA -Spuren befanden, wollte sie diese keinesfalls durch eine Unachtsamkeit vernichten. Außerdem war der Gedanke, Fingerabdrücke auf einer Mordwaffe zu hinterlassen, alles andere als prickelnd.
Sie kniete hinter den auf verrosteten Federungen montierten Pumpenkasten und tastete unter dessen Bodenplatte nach den Lüftungsschlitzen. Sie wurde fündig, legte sich rücklings auf den Boden und schob sich zwischen den Federungen hindurch so weit unter die Platte, bis sie mit den Händen durch die Schlitze greifen konnte. Weiter als bis zum Handgelenk kam sie jedoch nicht. Mit den Fingern tastete sie nach dem Werkzeug. Nichts .
Sie
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