Blow Out (German Edition)
hätte nicht gedacht, dass Sie es überhaupt bis hierher schaffen. Aber da Sie nun mal hier sind: Willkommen auf der Independence.«
»Woher wussten Sie … ich meine, wer hat uns verraten? Leuthard?« Emma konnte es nicht fassen, dass ausgerechnet Donovans größter Feind sie ans Messer geliefert haben sollte. Und doch kam nur er dafür in Frage. »Weshalb?«
»Sie sollten solche Fragen nicht stellen, Miss Fisher. Die Antworten könnten Ihnen nicht gefallen.«
Carlos boxte Emma gegen die Schulter. »Was geht hier ab? Du kennst diesen Kerl? Hast du uns in diese Falle gelockt?« Er packte sie am Arm. »Antworte gefälligst, puta !«
»Lass mich los!« Vergeblich versuchte sie seinen Griff zu lockern.
»Maldito diablo!« Carlos zog seine 9-Millimeter-Pistole aus dem Hosenbund, presste ihr den Lauf an die Stirn und brüllte in Richtung Donovan: »Wenn eure Komplizin leben soll, tut ihr genau das, was ich sage, kapiert?«
Emma schluckte. »Dreh jetzt nicht durch, Carlos! Du liegst komplett daneben. Ich bin auf deiner Seite.«
»Halt’s Maul!« Er drückte den Lauf der Pistole fester gegen ihren Kopf.
»Du solltest auf die Lady hören«, sagte Donovan. »Du bist gerade dabei, einen verdammt großen Fehler zu begehen. Ich gebe dir exakt fünf Sekunden, um die Waffe auf den Boden zu legen.«
»Leck mich, culo !«
»Na gut, scheiß auf die fünf Sekunden … Laymon!«
Nur wenige Zentimeter vor Emmas Nasenspitze explodierte Carlos’ rechte Kopfhälfte. Blut, Hirn- und Knochenmasse verteilten sich ekelhaft klebrig auf Emmas Gesicht und besudelten ihren Hals und ihr Top. Sofern man bei nur einer Gesichtshälfte von einem Gesichtsausdruck sprechen konnte, so war der von Carlos als grotesk zu bezeichnen. Sein verbliebenes linkes Auge starrte durch Emma hindurch, während er wie in Zeitlupe zur Seite kippte.
Ein gellender Schrei riss Emma aus ihrer Schockstarre. María stürmte herbei, kniete sich neben ihren Bruder und rüttelte verzweifelt an seinem leblosen Körper, als würde sich an seinem Zustand dadurch auch nur das Geringste ändern.
»Wenigstens hatte Agent Laymon seinen Spaß«, erklang Donovans Stimme von oben.
»Leuthard hatte recht.« Emmas Stimme zitterte. »Sie sind ein Monster.«
»Diese Mumie sollte seine Worte bedächtiger wählen. Ich werde ihm demnächst einen persönlichen Besuch abstatten.«
»Leuthard hat uns verraten.«
»Dachten Sie etwa, der SCS würde den einzigen überlebenden Zeugen des 15. November 2015 nicht unter Kontrolle halten?«
»Dann war alles gelogen, was Leuthard erzählt hat?«
»Ganz und gar nicht«, erklärte Donovan. »Nachdem ich von Ihren neuen Identitäten und Ihrem Ausflug nach Antarctic City erfahren hatte, war mir klar, weshalb sie dorthin reisten. Ich rief Leuthard an und machte ihm klar, dass unser Deal noch immer Gültigkeit besitzt. Das reichte, um ihn zur Vernunft zu bringen. Ich wies ihn an, alles wahrheitsgemäß wiederzugeben, damit er sich nicht in Widersprüche verwickeln konnte und Sie eventuell misstrauisch würden. Leuthard sollte Ihnen vom Engländer und der Pipeline erzählen. Das war die einzige Möglichkeit, Sie hierher zu locken.«
»Dann gab es diesen Engländer tatsächlich?«
Donovan lachte verächtlich auf. »Ich habe drei Nächte lang danach gesucht, bis ich ihn endlich gefunden und ins Meer geschmissen habe. Dafür hasse ich den Krüppel heute noch. Genug geplaudert. Zugriff!«
Aus den Ecken lösten sich dunkle Schatten. Die Männer der Independence-Security, allesamt Marines im Dienste der US Navy, trugen schwarze Tarnkleidung, die praktisch mit der Dunkelheit verschmolz. Bis an die Zähne bewaffnet und mit Funkknöpfen im Ohr, kamen sie langsam auf Emma, María und Jorge zu, die Lasergewehre mit infrarotgesteuerter Zielerfassungsoptik im Anschlag. Keine Taser. Donovan hatte offenbar nicht vor, halbe Sachen zu machen. Emma zählte insgesamt acht Männer. Zwei von ihnen trugen keine Tarnkleidung, sondern schwarze Anzüge. Offensichtlich Agenten aus Donovans Team.
»Auf den Boden und Hände über den Kopf!«, befahl einer der Marines.
Jorge gehorchte auf der Stelle, und María folgte seinem Beispiel, ohne dabei den Blick von ihrem toten Bruder abzuwenden.
»Miss Fisher, das gilt auch für Sie.«
Wie in Zeitlupe sank Emma auf den kalten Stahl und verschränkte, wie gefordert, die Hände hinter dem Kopf. Wirre Gedanken schossen ihr durch den Sinn. Was hatte Donovan mit ihr vor? Würde sie diese Nacht überleben? Was war mit Nick?
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