Blue (Horror / Mystery / Okkult) (Jake Sloburn Horrorthriller) (German Edition)
sinken.
Er sprang von dem Stahlträger, auf dem er gestanden hatte. Dann trat er gegen die Felge des Hinterrads. Es bewegte sich mühelos ein paar Zentimeter, bevor es aufgrund der nächsten Ausbeulung im Reifen quietschend steckenblieb. Ricky zuckte mit den Schultern und trottete zurück zu dem Loch im Zaun, durch das er den Schrottplatz betreten hatte. Er kroch hindurch und verschwand in dem Gebüsch dahinter.
Der Reifen in dem verrosteten Rad nahm erneut Fahrt auf und begann sich langsam und geräuschlos zu drehen.
Ricky nimmt die Dinge in die Hand
A ls Ricky zu Hause ankam, hörte er Stimmen. Er hörte sie schon, als er die Stufen zur Veranda hoch schlurfte, denn die Tür war nur angelehnt und das Fliegengitter trug seiner Natur gemäß wenig zur Diskretion bei. Eine der Stimmen erkannte er als die seiner Mutter, was Ricky nicht besonders überraschte. Die andere erkannte er überhaupt nicht und so hielt er es für ratsam, sich zunächst neben die Tür zu stellen und dem zu lauschen, was die beiden da drinnen von sich gaben. Was er hörte, war in etwa folgendes:
(Seine Mutter:) »Bitte Johnny, nur noch eine Woche, ich hab's fast zusammen, te conjuro por el Dios viviente! «
(Die Stimme des Typen, den sie Johnny nannte:) »Nein, Azula, verdammt noch mal.« Ricky hörte eine Art Schlurfen oder Rutschen auf den Dielen. »Nicht in einer beschissenen Woche, Azula. Jetzt! Und hör mit diesem verdammten Kanakensprech auf, hab' ich dir gesagt! In diesem Land spricht man Englisch.«
»Ja, Johnny, ist ja gut. Tut mir leid.« Ihre Stimme klang flehentlich, elend. Sie schien zu weinen. »Aber ... « schluchzte sie, » ... der Junge ist doch im Krankenhaus. Ich bitte dich! Die Kosten! Johnny, ich flehe dich an! Nur eine Woche!«
Ricky beschloss, nun doch durch das Fliegengitter zu schauen. Er sah eine Szene, die ihn gleichermaßen schockierte wie anwiderte. Seine Mutter lag im Flur ihres kleinen Häuschens auf den Knien vor einem Typen, und nestelte an dessen Hosenstall herum.
»Ich mach's dir auch. So wie du's gern hast, ja? Du kannst alles machen. Alles was du willst.« Seine Mutter rutschte auf Knien auf dem Boden herum und presste ihre Lippen auf den Schritt des Kerls. »Bitte! Nur eine Woche! Bitte, Johnny, te lo ruego – ich bitte dich ... «
Weiter kam sie nicht, denn der Typ verpasste ihr eine saftige Ohrfeige, deren Wucht sie auf die Dielen krachen ließ. Da blieb sie liegen und zitterte und schluchzte ganz leise. Der Typ namens Johnny zog den Hosenstall seiner Jeans zu und stieg über den Körper der wimmernden Azula hinweg auf die Ausgangstür zu. Er stieß das Fliegengitter auf und starrte überrascht in das Gesicht von Ricky, seine Augen groß und hasserfüllt, dann schubste er den Jungen beiseite.
»Morgen!« brüllte er über seine Schulter zurück in den Flur, »Deine letzte Chance, Azula.« dann warf er die Fliegentür hinter sich zu. Johnny Eton stiefelte die Verandatreppe hinab, spie vor dem Haus von Azula López ins Gras und murmelte etwas, das Ricky vorkam wie »Dämliche Spic-Nutte.« Ricky starrte ihm hinterher. Er war von der Plötzlichkeit ihrer Begegnung zu perplex, um so zu reagieren, wie er es sich gewünscht hätte. Die drei Stufen der Veranda herab springen und mit bloßen Händen die Scheiße aus dem Typen heraus prügeln.
Stattdessen tat er etwas anderes. Und diesmal funktionierte es. Ricky brauchte eine Weile, um zu verstehen, wieso. Dann wurde es ihm mit geradezu schmerzlicher Deutlichkeit bewusst – die Puzzleteile fügten sich ineinander und ergaben mit einem Mal ein schönes, großes, blaues Bild. Er hatte das Gesicht des Typen gesehen. Wie er das Gesicht von Franky Bracciolini gesehen hatte, der ihn angefahren hatte.
Ricky hörte den Wagen des Typen mit quietschenden Reifen davonbrausen, als das
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