Blue (Horror / Mystery / Okkult) (Jake Sloburn Horrorthriller) (German Edition)
ich, aber ich bin auch ein bisschen stolz. Das klingt gut, macht ziemlich was her, finde ich. Glaube nicht, dass mich schon mal jemand so genannt hat.
Sie sagt »Hallo, Mr. Watt. Ich heiße Azula López.« und reicht mir eine zierliche Hand, ihre Haut hat diese schöne, kaffeebraune Farbe, und wenn sie lächelt, ist sie sogar noch ein bisschen hübscher. Da es in dem Raum keinen dritten Stuhl gibt, setze ich mich auf das Sofa in der Ecke. Und höre zu, wie die hübsche Lady namens Azula López ihre Geschichte erzählt. Und je länger sie erzählt, desto weniger begreife ich, wieso ihr Mr. Sloburn überhaupt zuhört, und noch dazu so aufmerksam. Er lächelt und lässt sie keine Sekunde aus den Augen, während er auf seinem Sessel herum rutscht und versucht, sich mit übergeschlagenen Beinen in die Sitzfläche zu zwängen, ohne runter zu fallen.
Hauptsächlich geht's darum, dass ihr etwas abhanden gekommen ist, nämlich ihr Sohn, und sie unvermutet etwas bekommen hat, nämlich einen großen Umschlag voller Geld. Sie vermutet einen Zusammenhang zwischen beidem und möchte gern wissen, wo Ersterer abgeblieben ist und wo Letzteres herkommt. Soweit ist die Sache ja vielleicht noch ganz spannend, aber dann erzählt sie, dass sie kürzlich mal wieder einen Streit mit ihrem Sohn hatte, der mitten in der Pubertät steckt. Und dass er öfter mal fortbleibt. Na prima, denke ich. Das bedeutet wahrscheinlich, er schlägt sich ein bisschen durch, pennt bei Freunden und dürfte morgen wieder in ihrem Wohnzimmer sitzen. Wenn er da nicht jetzt schon sitzt. Und wegen des Geldes würde ich mir gar keine Sorgen machen. Treibgut. Fall gelöst.
Mr. Sloburn fragt sie, ob sie das Geld schon gezählt hat. Hat sie nicht, also kippen sie den Umschlag auf seinem Tisch aus. Ist eine ganze Menge Zaster, alles in kleinen und reichlich zerknitterten Scheinen. Die größten sind ein paar Fünfhunderter. Sie zählen eine ganze Weile, und sehen dabei aus wie zwei Bankräuber, die ihre Beute aufteilen. Insgesamt sind es knapp Dreißigtausend. So allmählich kann ich die Lady verstehen, ich hätte bei so viel Geld sicher auch ein mulmiges Gefühl. Verdammt viel Kohle. Da hat sich wohl jemand mächtig in der Adresse geirrt.
Sie bittet Mr. Sloburn, das Geld für sie eine Weile aufzubewahren, bis er raus gefunden hat, was es damit auf sich hat. Sie vermutet, dass es Ricky, ihr Sohn, vielleicht irgendwem geklaut hat und deshalb seit ein paar Tagen verschwunden ist. Sie fühlt sich nicht sicher mit so viel Geld im Haus, sagt sie. Sloburn nickt, steht auf und holt einen Quittungsblock aus einem der Schränke an der Wand. Als sie ihm das Geld rüber geschoben hat, geht's ihr sofort sichtlich besser.
Dann fragt Mr. Sloburn sie, ob sie ein Bild ihres Sohnes dabei hat. Hat sie. Mr. Sloburn nimmt es an sich, betrachtet es eine Weile und steckt es dann ein. Dann fragt er sie ein paar andere Dinge, wo Ricky (denn so heißt der Bengel) so zur Schule geht, wer seine Freunde sind (Er hat keine, oder zumindest kennt seine Mutter die nicht. Das kommt mir merkwürdig vor. Jeder Junge in seinem Alter muss doch irgendwelche Freunde haben!), wo er sich sonst noch herumtreiben könnte (Sie hat keine Ahnung.) und so was. Dann drückt er ihr noch eine Visitenkarte in die Hand und steht auf, um das Geld in einem Tresor in der Wand einzuschließen.
Als sie auch aufsteht, um zu gehen, druckst sie ein bisschen herum, schaut unsicher zwischen mir und Mr. Sloburn hin und her, und dann sagt sie: »Es ist wegen Ihrer Bezahlung … «
Sie hat kein Geld, das war ja klar. Lässt ihn dreißig Riesen für sie aufbewahren und knausert dann wegen der paar Piepen, die er als Honorar nimmt. Das kommt davon, wenn man irgendwas von »Kostenlos« in seine Zeitungsannonce schreibt. Mr. Sloburn winkt nur ab und grinst sie an.
»Keine Sorge, Mrs. López. Wenn ich Geld brauche, nehm' ich's einfach aus dem Tresor da.«
Ihr
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