Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
Luft, schloss für einen Moment die Augen. Dann gab er
Vollgas. Oh Gott. Bitte lass mich das unbeschadet überstehen!
Schreckgeweitete
Augen, vom Schreien geöffnete Münder, all das nahm er wahr, als er kurz in die
Gesichter der Fahrer der entgegenkommenden Wagen blickte. Er hörte auch das
Kreischen der Bremsen und den Knall beim Aufprall, als sie ineinander krachten,
aber er blieb weiterhin auf Kurs. Die Fahrer der anderen Autos wichen aus,
fuhren gegen die Leitplanken oder ins Gebüsch. Aber er überstand die Aktion
unbeschadet, und das war alles, was ihn interessierte. Seine Gebete waren
erhört worden.
Schwitzend und zitternd
reihte er sich wieder in den fließenden Verkehr ein und fuhr ungehindert nach
Freiburg zurück. Auch hierin lag natürlich ein gewisses Risiko. Er fuhr einen
auffälligen Wagen und alle waren auf der Suche nach ihm. Jetzt hatte er nur
noch eine Chance, wenn er alles auf eine Karte setzte. Er wollte nach Konstanz
und dazu musste er irgendwie auf die A81 gelangen.
„Scheiße, was macht der denn da?“, rief der junge Beamte, Max Heier,
auf dem Beifahrersitz aufgeregt. „Tobi, er entkommt! Tu doch was. Dreh um!!
Hinterher!“
Tobias
Schulte, der Fahrer des Einsatzfahrzeugs, reagierte etwas besonnener. Die A5
war eine viel befahrene Autobahn und er wusste, das Risiko einen schweren
Unfall zu verursachen, war groß. Stattdessen griff er zum Funkgerät, gab seinen
Standort und eine kurze Beschreibung der Geschehnisse durch und bat die anderen
Streifen, nach dem silbergrauen Audi mit dem Freiburger Kennzeichen Ausschau zu
halten. Es war sinnlos, sich weiter zu verstecken. Ihre Tarnung war
offensichtlich aufgeflogen. Jetzt mussten alle verfügbaren Fahrzeuge ran.
„Mann,
Tobi! Was soll denn das?“ Max hüpfte unruhig auf seinem Sitz hin und her. Er
wollte Tom um jeden Preis stellen und verhaften. Schließlich war man ja nicht
jeden Tag in eine Verfolgungsjagd verwickelt und er sah überhaupt nicht ein,
warum sie die Lorbeeren jetzt den anderen Kollegen überlassen sollten.
„Max,
jetzt mach mal halblang. Wir nehmen die nächste Ausfahrt und dann sehen wir
weiter.“ Sein ungestümer Kollege würde damit leben müssen, dass Tom sie
abgehängt hatte.
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„Ich hoffe, ihr seid dran? Habt ihr ihn?“, rief Pfeifer atemlos.
Er
und Beate rannten gerade die Treppe hinunter zu seinem Parkplatz hinter dem
Revier. Sie waren auf dem Weg zur Autobahn, sie wollten sich auch an der Suche
beteiligen.
Doch
dann: „Fehlanzeige. Er ist uns entwischt.“ Das Funkgerät knackte und knisterte
und Pfeifer dachte, er hätte sich vielleicht verhört. Aber der Kollege
wiederholte es noch einmal und es gab keinen Zweifel mehr. Roth war ihnen
entkommen.
„Ihr
Dilettanten! Ihr Vollidioten!! Das wird ein Nachspiel haben!“, brüllte er ins
Funkgerät, seine Stimme überschlug sich beinahe. Sein Gesicht hatte inzwischen
die Farbe einer überreifen Tomate angenommen.
Wenn
er sich weiter so aufregt, kriegt er noch einen Herzinfarkt, dachte Beate . Aber sie hielt sich zurück.
Sie wollte ihren Vorgesetzten nicht noch mehr reizen. Es hatte in den letzten
Tagen schon genug Querelen zwischen ihnen gegeben.
Zwei
ältere Damen, die gerade mit ihren Hunden den Parkplatz passierten, sahen ihn
entgeistert an und zogen ihre Hunde schnell mit sich fort. Schließlich wusste
man ja heutzutage nicht mehr, wann jemand einfach so in der Gegend
herumballerte. Ganz besonders, wenn dieser Jemand hier so brüllte und
fuchtelte. Pfeifer sah ihnen geistesabwesend hinterher. „Scheiße!“, brüllte er
noch lauter und trat gegen den Reifen seines Autos. Leider hatte er vergessen,
dass er heute Morgen nicht die Cowboystiefel angezogen hatte, sondern Lederslipper.
Er ließ sich jammernd und immer noch fluchend auf den Fahrersitz fallen und
hielt sich den rechten Fuß. Er hoffte inständig, dass der Zeh nicht gebrochen
war. Eindeutig nicht sein Tag heute.
Nach
ein paar Minuten hatte er sich wieder einigermaßen im Griff. Er schnappte sich
das Funkgerät und setzte sich mit den Kollegen von der Autobahnpolizei in
Verbindung. Er wollte eine Bestätigung, dass alle verfügbaren Einsatzkräfte an
dem Fall dran waren. Er erhielt sie auch, war mit dem Ergebnis aber trotzdem
nicht zufrieden. „So, wie ich Roth einschätze, hat er bereits den Wagen
gewechselt.“ Erbost schlug er mit der Hand aufs Lenkrad.
„Vermutlich
hast du recht. Aber alle haben das Fahndungsfoto. Sie werden ihn schon kriegen.
Das sind doch auch keine
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