BLUE - toedliche Magie
Merenpath hatte also Annika und Blue gegen sie in der Hand. Er sagte es zwar nicht direkt, doch der subtile Zwang war klar. Dennoch wollte sie sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie die Tatsache schockierte, dass Blue hier war.
„Engelstöter?“, flüsterte sie, weil sie sich darunter nichts vorstellen konnte.
„Ja. Er hat Joshua getötet. Einen der vielen langweiligen Himmelsflattermänner. Vermutlich ist der göttliche Langweiler einfach dumm im Weg gestanden, als Blue – damals noch Andreas Sternitzer – eine ganze Armee von Dämonen niedergemäht hat. Dieser Mann ist nie ein Heiliger gewesen. Außer vielleicht in deinem Fall.“ Damit wandte er sich ihr noch intensiver zu. „Was mich auch schon zu der Frage bringt, ob du ihn liebst. Schließlich darf man körperliche Anziehung nicht mit dem Gefühl verwechseln, das die Welt regiert. “ Er sagte es vollkommen ruhig, aber mit unglaublicher Intensität. Vanessa fiel prompt die Gabel aus der Hand und ihr bisher erhitztes Gesicht nahm die Farbe vom weißen Tischtuch an.
„Du ... weißt ...“, stotterte sie und hatte plötzlich einen derart intensiven Erinnerungsschub, dass sie sich den Kopf vor Schmerzen halten musste. Sie konnte einen Metalltisch sehen und einen unglaublich schönen Körper mit blauen Linien, eine blaue Jeanshose und ihre Hand ...
„Oh! Du erinnerst dich gerade an etwas“, stellte Merenpath nüchtern fest, obwohl alles in ihm brodelte. Vanessa keuchte und ihr Gesicht war nicht länger weiß, sondern mit roten Flecken übersät. Für Merenpath war es vermutlich interessant, was ein Gesicht so alles an Farbvarianten hervorbringen konnte, denn selbst neigte er nicht zu einem roten oder blassen Kopf. Bei ihm spielte sich meist alles in seinen Augen ab – außer er verlor wirklich einmal die Beherrschung, dann verwandelte er sich tatsächlich in einen riesigen Falken.
„Es ist nichts ...“, begann sie und versuchte verzweifelt diese Erinnerung in den Hintergrund zu drängen. Die Bilder, das Gefühl, die Erregung – all das passte nicht hierher, war zu intensiv, zu erotisch. „... nichts, was ich hier erzählen möchte.“ Ihre Stimme klang heiser, ihre Hände waren verschwitzt. Merenpaths Augen hingegen verloren ihr schönes Braun, bekamen schlagartig einen grellgelben Stich und eine Flut negativer Energie brach über Vanessa herein. Als würde sich ein Schwarm verseuchter und beißender Fliegen auf sie stürzen und in ihren Kopf dringen.
„Ich gebe dir Zugang zu deiner Erinnerung und dann wirst du mir genau erzählen, was zwischen dir und dem blauen Mann vorgefallen ist. Ist das klar? Ich habe mir vorgenommen ausgesprochen nett zu dir zu sein, aber jetzt muss einfach passieren, was ich verlange. Und ich verlange, dass du mir das erzählst, woran du dich erinnerst.“ Die Fliegen waren gnadenlos, bissen zu wie verrückt, setzten ihre spitzen Zähne direkt an ihrem Gehirn ein. Anstatt die Bilder und Gefühle zu Blue in den Hintergrund zu drängen, brachen sie nun mit voller Kraft aus ihrem Unterbewusstsein heraus. Sie platzten förmlich in ihr Bewusstsein und überschwemmten ihr ganzes Wesen. Merenpath bewirkte all das nur mit einem einzigen, intensiv gelben Blick auf sie.
Das Ergebnis aber war nicht ganz das, was er sich vorgestellt hatte. Die Flut der Empfindungen war nämlich zur stark für Vanessa. Merenpaths Magie gepaart mit der Erinnerung an Blues Kraft überforderte Vanessas ganzes System. Sie wurde ohnmächtig und fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ehe sie auch noch vom Stuhl fiel, war Merenpath jedoch bei ihr und fing sie auf.
29. Kapitel
„Du!!!!“
„Ja. Aber ich bin nicht der Feind.“
„Verarsch wen anderen! Du hast in Berlin schließlich versucht genau den – meinen Arsch nämlich – zu torpedieren. Die Nachwirkung der Explosion hab‘ ich jetzt noch im Ohr.“ Das stimmte zwar nicht, weil der Zauber ihn wirklich gut geschützt hatte, doch er konnte sich noch sehr wohl daran wie laut es gewesen war und wie stark die Druckwelle ihn erfasst hatte.
„Nein, das habe ich nicht. Die Elektronik hat wegen dir verrückt gespielt. Ich hatte den Auftrag dich lebend zu Merenpath zu bringen, aber du warst einfach zu nahe an unserem Vogel dran.“
„Verräter!“
„Du irrst, Andreas.“
„Ich heiße Blue. Nur noch Blue“, brummte er und ließ enttäuscht den Kopf hängen. Für ihn war die Lage sowieso aussichtslos. Maslov hatte schon viel zu viel Macht über ihn besessen, obwohl er nur ein Mensch gewesen
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