Blüte der Tage: Roman (German Edition)
sie es kaum erwarten anzufangen.
Und ihre Jungen würden im Harper-Anwesen genügend Platz zum Herumtoben haben. Für den Kauf eines eigenen Hauses war es noch zu früh – erst musste sie sich sicher sein, dass sie bleiben wollten. Und im Haus ihres Vaters wäre es für sie alle auf Dauer zu eng. Jolene und er waren zwar ungemein gastfreundlich, aber das Haus mit den zwei Schlafzimmern war schlichtweg zu klein.
Als Übergangslösung war es freilich ideal.
Sie parkte ihren SUV neben Jolenes frechem kleinen Roadster, schnappte ihre Einkaufstüte und eilte durch den Regen zur Haustür.
Obwohl sie einen Schlüssel hatte, klopfte sie an. Alles andere wäre ihr unhöflich erschienen.
Jolene öffnete die Tür. Mit ihrer gertenschlanken Figur, die in der schwarzen Yogahose und dem engen schwarzen Top noch graziler aussah, wirkte sie weit jünger als ihre beinahe sechzig Jahre.
»Oh, entschuldige. Ich habe dich beim Yoga gestört.«
»Bin gerade fertig geworden. Gott sei Dank!« Sie tupfte sich das Gesicht mit einem kleinen weißen Handtuch ab und schüttelte ihr duftiges honigblondes Haar zurück. »Den Schlüssel verlegt?«
»Nein. Ich klopfe lieber an.« Sie trat ein und lauschte. »Es ist so still. Habt ihr die Jungs in den Keller gesperrt ?«
»Dein Dad ist mit ihnen ins Peabody-Hotel gefahren, um den Duck-Walk zu sehen. Ich fand es besser, wenn die drei Männer allein losziehen. Außerdem wollte ich ja mein Yoga machen. Der Hund döst auf der hinteren Veranda.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Hm, du machst einen ziemlich zufriedenen Eindruck.«
»Kein Wunder. Ich habe die Stelle.«
»Ich wusste es, ich wusste es! Herzlichen Glückwunsch !« Begeistert umarmte Jolene Stella. »Ich hatte da sowieso keinen Zweifel. Roz Harper ist eine intelligente Frau. Sie weiß, wenn sie auf eine Goldader gestoßen ist.«
»Mir ist etwas flau im Magen, und meine Nerven liegen blank. Ich sollte auf Dad und die Jungs warten, aber ...« Sie zog den Champagner aus der Tüte. »Wie wär’s, wenn wir beide schon mal mit einem Glas Champagner auf meinen neuen Job anstoßen?«
»Ach, ich freu mich so für dich!« Jolene drückte Stella erneut an sich, schlang den Arm um ihre Schultern und führte sie ins Wohnzimmer mit der integrierten Küche. »Erzähl, wie findest du Roz?«
»Weniger einschüchternd als gedacht.« Stella stellte die Flasche zum Öffnen auf die Theke, während Jolene aus dem Vitrinenschrank die Champagnerflöten holte. »Sie wirkt erdverbunden, direkt, selbstbewusst. Und dieses Haus!«
»Ja, ein wahres Prachtstück!« Beim lauten Knall des Korkens begann Jolene zu lachen. »Welch dekadenter Klang am Nachmittag! Ja, das Harper-Haus befindet sich seit Generationen in ihrer Familie. Sie ist durch ihre Ehe
– die erste Ehe – eigentlich eine Ashby, hat aber, nachdem die zweite Ehe gescheitert war, ihren Mädchennamen wieder angenommen.«
»Wie wäre es mit ein paar netten Klatschgeschichten, Jolene? Aus Dad werde ich bestimmt nichts herausbekommen.«
»Ah, du bestichst mich mit Champagner, damit ich aus dem Nähkästchen plaudere. Ganz schön raffiniert!« Sie setzte sich und hob ihr Glas. »Jetzt trinken wir erst mal auf unsere Stella und ihren mutigen Neubeginn.«
Stella stieß mit Jolene an und nahm einen Schluck. »Mmm. Köstlich. So, jetzt der Klatsch.«
»Sie hat jung geheiratet. Mit achtzehn. Es war eine so genannte standesgemäße Heirat – beide aus guten Familien, derselbe gesellschaftliche Rang. Vor allem aber war es eine Liebesheirat. Man merkte es den beiden an. Es war ungefähr um die gleiche Zeit, als ich mich in deinen Vater verliebte, und als Frau spürt man, wenn eine andere Frau in derselben Gefühlsverfassung ist. Ihre Eltern waren bei ihrer Geburt nicht mehr ganz jung – ihre Mutter war fast vierzig und ihr Vater ging auf die fünfzig zu. Ihre Mutter hat sich von der Geburt nie ganz erholt, wiewohl manche meinen, sie habe einfach nur die Rolle der zarten, zerbrechlichen Frau genossen. Wie auch immer, binnen zweier Jahre verlor Roz beide Eltern. Sie muss damals gerade mit ihrem zweiten Sohn schwanger gewesen sein. Das war ... Ja, Austin, glaube ich. Sie und John übernahmen das Harper-Haus. Als John ums Leben kam, stand sie plötzlich allein mit drei Kindern da, von denen das Jüngste noch nicht mal richtig laufen konnte. Du kannst ja nachempfinden, wie hart das für sie war.«
»O ja.«
»Die nächsten zwei, drei Jahre hat man sie kaum außerhalb ihres Hauses gesehen. Als sie
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