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Blütenrausch (German Edition)

Blütenrausch (German Edition)

Titel: Blütenrausch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mila Herbst
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anderen lief, um mit den Gästen Smalltalk zu halten. Sie wirkte jedes Mal entspannt. Bis an einem Tisch. Auf diesen zwei Bildern sah man alle Tischnachbarn. Natalie blickte mit angespannter Miene an das andere Ende des runden Tisches. Sie schaute keinen bestimmten Gast an, sondern eben nur auf den Tisch.
    Zuerst kam ich nicht darauf, was da s zu bedeuten hatte, aber dann fiel der Groschen.
    Ich holte aus Natalies Ordner die Liste mit der vorletzten und der endgültigen Tischordnung raus. An dem Tisch saßen allesamt junge Gäste, und keiner trug den Familiennamen weder der Braut noch des Bräutigams, daher vermutete ich, dass es sich um Freunde handelte. Auf dieser Hochzeit gab es ausschließlich Zehnertische, an diesen Tisch saßen aber nur neun Gäste. Vier Paare und ein Mann.
    Beim Vergleichen beider Listen bemerkte ich, dass eine gewis se Hannah Kraft auf der letzten Liste fehlte. Das war der Gast, von dem Natalie mich zwei Tage vor der Hochzeit bat, ihn von der Gästeliste zu streichen.
    Ich sah mir jetzt die DinA4 Blätter mit der räumlichen Aufteilung der Tische und den darauf verzeichneten Gästenamen an. Hier konnte man erkennen, wer wo saß. Es war Tisch Nummer Fünf. Ich verglich es mit den zwei Fotos, auf denen Natalie so komisch schaute und bemerkte, dass sie genau dort hinblickte, wo eben diese Kraft hätte sitzen müssen.
    V iel über sie wusste ich nicht, nur dass sie eine gute Freundin von Natalie war. Warum sie auf der Hochzeit fehlte, wusste ich auch nicht.
    Neben der Anmerkung über das, was ich am nächsten Tag Franjo fragen wollte, notierte ich auf dem gleichen Zettel die Adresse von dieser Frau. Ich würde ihr gleich Morgen einen Besuch abstatten, mal sehen, was sie zu erzählen hatte.
    Nachdem die zwei Bilder in dem speziellen Ordner verschwanden, unters uchte ich diejenigen, die später in der Orangerie gemacht wurden. Es gab mehrere Momente, die Markus festgehalten und aus unterschiedlichen Perspektiven fotografiert hatte: Wie Natalie zur Bühne lief; wie sie das Mikro in die Hand nahm; wie sie zu ihrem Publikum sprach und schließlich, wie sie beim Anblick der Erscheinung am Fenster zur Salzsäure erstarrte. Die Gestalt war kaum zu erkennen, sie war zu verschwommen. Das Zoomen half auch nicht viel. Trotzdem markierte ich es und schob es zu den anderen verdächtigen Bildern.
    Ich über sprang die Fotos, auf denen Natalie den Strauß warf, und landete dann bei den Bildern, auf denen das Brautpaar den Tanz eröffnete. Markus hatte beim Knipsen nicht geknausert, erst als Natalie schon leblos in Behrings Armen lag, schien er sich zurückgehalten zu haben. Wie er mir bereits bei der Übergabe der Bilder erklärte, hielt er seine Arbeit ab dem Zeitpunkt für beendet. Und da lag der Unterschied zwischen uns beiden: Markus wusste, wo seine beruflichen und ethischen Grenzen lagen, ich dagegen hatte manchmal keine Skrupel. Alles, was helfen könnte, einen Fall zu klären, war mir willkommen. Das war immer so gewesen. Egal auf welchem Weg es zu mir gelangte. Und Bilder waren ein guter Weg. Nur zu blöd, dass ich an dem Abend selbst keine Kamera hatte. Anderseits war es besser so. Ich hätte vermutlich geknipst, bis der Knopf rauchte, und so hätte ich mich bei der Hochzeitsgesellschaft und meinem Kunden nicht gerade beliebt gemacht.
     

Donnerstag
     
    Es klingelte mindestens zehn Mal, bevor der Anrufbeantworter mit der sonderbaren Ansage »Katze und Maus sind nicht Zuhaus, versuch jetzt dein Glück, vielleicht rufen wir ja zurück«, eingeschaltet wurde. Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, rief ich nacheinander noch fünf Mal an ‒ ich war mir sicher, jemanden zu erreichen ‒, bis jemand tatsächlich abnahm.
    Obwohl es sch on fast zehn Uhr morgens war, fand Franjo, von der Band Thokit , ich hätte zu früh angerufen. Ich wüsste doch, er sei Künstler und Künstler leben nachts. Der Morgen diene höchstens dazu, den Magen mit Frühstück zu versorgen, bevor man ins Bett geht. Das sagte er mir mit schlaftrunkener Stimme, und ich entschuldigte mich pflichtbewusst, kam aber dann auch gleich zur Sache: »Du musst mir helfen. Ich werde dir jetzt eine Melodie vorträllern und du sagst mir bitte, was es ist, einverstanden?«
    » Warte«, antwortete er gelassen.
    Ich hörte im Hintergrund, wie er sich eine Zigarette anzündete, über tönt von einem undefinierbaren Geräusch. Ich hoffte nur, es handelte sich nicht um das, was ich befürchtete. Als ich jedoch den Gummibund seiner Unterhose auf

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