Blütenrausch (German Edition)
machten sich einen Spaß daraus, das Laub hin und her zu kicken. Aber nicht nur die: Ein paar Hunde steckten ihre Nase drunter und schnüffelten, was das Zeug hielt. Offensichtlich gab es mehrere Spuren zu verfolgen. Ähnlich wie in meinem Fall, nur dass der Hund sie direkt vor seiner Nase fand und nicht mehr tun musste, als sie aufzuspüren. Ich hingegen wusste nicht, welche Spur ich überhaupt verfolgen sollte, weil ich im Moment nicht einmal eine hatte.
Mittwoch
Zugedeckt mit einer Wolldecke, lag ich nach einem anstrengenden Arbeitstag endlich quer auf der Couchund schlürfte vorsichtig, damit ich mir die Zunge nicht verbrannte, an einem heißen Kräutertee. Auf dem Bildschirm meines Fernsehers stritten sich zwei Halbwüchsige, wer denn jetzt mit dem iPod dran sei.
Vermutlich wieder so eine beschränkte Dokusoap über irgendeine zerrüttete Familie .
Ich schaltete sofort um. Auf den anderen Programmen lief nichts Besseres. Die laufenden Filme hatten entweder schon lange angefangen oder waren zu langweilig; Nachrichten interessierten mich in diesem Moment nicht und mit den Gewinnshows konnte man mich sowieso jagen.
Ich machte den Fernseher au s und schlummerte eine Weile vor mich hin. Die Ruhe übte eine entspannende Wirkung auf mich aus. Ich wäre beinahe eingeschlafen, dann aber hörte ich Spitzi, wie er an der Glaswand seines Terrariums kratzte. Er war wach geworden, hatte wahrscheinlich schon gefressen und wollte jetzt raus. Ich holte ihn aus seinem Gehege, streichelte ihn ein paar Mal und ließ ihn dann auf dem Boden meines Arbeitszimmers los. Er durfte jetzt eine Zeit lang frei herumlaufen.
Während ich zuschaute, wie e r von einer Ecke zur anderen huschte, fiel mein Blick auf Natalies Sammelbuch, das auf dem Tisch lag. Auch wenn ich mir geschworen hatte, mich heute Abend nicht mehr mit ihrem Tod zu beschäftigen, stellte ich ernüchtert fest, dass das nicht so einfach war. Ich holte mir das Buch auf die Couch und ging es noch einmal durch.
Verflixt noch mal! Wie oft will ich es denn noch durchsehen?
Ich ha tte darin bisher nichts Wichtiges gefunden und doch lockte es mich immer wieder an. Als ich die Liste mit den Adressen der Gäste in den Händen hielt, fiel mir ein, dass ich mich bisher zu wenig auf sie konzentriert hatte. Stattdessen jagte ich geheimnisvollen schwarzen Heftchen und Sammelordnern in einem Schrebergarten hinterher. Schulze & Kollegen gingen davon aus, dass der Mörder unter den Gästen war, und steckten all ihre Kraft und Arbeit in deren weitere Vernehmungen. Vergeblich. Bisher war dabei nichts Brauchbares rausgekommen. Vielleicht hatte ich mich deshalb auf andere Wege gewagt. Ich wusste, Oliver würde das Übliche erledigen, aber manchmal war er nicht so gewieft, einen Schritt weiter zu gehen. Und das war immer meine Art gewesen: Das Ziel auf komischen Umwegen zu erreichen.
Dass einer der Hochzeitsg äste für den Tod Natalies verantwortlich war, war einer der plausibelsten Gedanken, aber es gab ja noch andere Verdächtige. Was war mit dem seltsamen Saxofonspieler? Oder hatte vielleicht einer der Angestellten einen Groll auf Natalie und nutzte die Gelegenheit aus, dass sie ihre Hochzeit in dem Hotel feierte, um sie umzubringen? Ein verschmähter Liebhaber oder eine eifersüchtige Ex-Kommilitonin? Das war alles etwas abwegig, aber es gibt nichts, was es nicht gibt, pflegte meine Großmutter immer zu sagen.
Ich kramte in meine n Erinnerungen: Hatte Natalie mit einem der Hotelangestellten mehr als nur ein Wort gesprochen? Hatte sie sich jemandem Anderen gegenüber merkwürdig verhalten, außer dem Saxofonspieler? Obwohl ich mich anstrengte, konnte ich mich diesbezüglich an nichts Ungewöhnliches erinnern.
Das gab mir alles keine Ruhe. Ich stand auf und ging zu meiner Tasche. Als i ch sie auf der Suche nach dem USB-Stick durchwühlte, auf dem alle Fotos gespeichert waren, die Markus auf der Hochzeit gemacht hatte, spürte ich etwas Stacheliges an meinem linken Fuß. Spitzi hatte ihn gerade als kleines Hindernis benutzt und war drüber getappt. Ich nahm meinen Weißbauchigel in die Hände und kraulte eine Weile den weichen Bauch, dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch.
W ährend das Notebook hochfuhr, schloss ich den USB-Stick an. Ich würde mir die Hochzeitsbilder noch einmal genauer anschauen. Das erste Mal, als ich die Bilder durchging, am Tag nach der Hochzeit, hatte ich mich auf der Suche nach etwas Verdächtigem weniger auf Natalie konzentriert als auf die Gäste.
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