Blütenrausch (German Edition)
umbringen können, wenn sie mir nicht aus dem Kopf geht.«
» Leider werden wir jeden Tag mit Fällen konfrontiert, in denen der abservierte Ex-Freund der Meinung ist, wenn er sie nicht kriegen kann, dann keiner«, sagte ich, als wäre ich noch eine Polizistin.
» Das trifft aber sicherlich nicht auf mich zu.«
» Das wird sich erst herausstellen, wenn der Täter oder die Täterin gefasst ist. Warum schildern Sie nicht einfach Ihre Sicht der Dinge?«
Tim richtete seinen Blick wieder auf die Leinwand und begann endlich zu erzählen: »Nach unserer Trennung war ich sehr verletzt. Deshalb habe ich mich zurückgezogen und wollte eine Zeit lang nichts von Natalie wissen. Ich weiß, dass sie mich noch liebte, aber sie hielt dem Druck ihrer Familie und ihrer Umgebung nicht stand. Immer wieder suchte sie den Kontakt mit mir. Sie wollte, dass ich sie verstehe, aber wie sollte ich das, schließlich leben wir nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert, wo die Eltern noch die Zukunft der Kinder bestimmten. Deine Eltern wollen nicht, dass du mich heiratest? Na und!« Tim hob die Hand hoch. »Dann pfeifst du eben auf deine Eltern!, meinte ich zu ihr, aber verständnislos schüttelte sie immer wieder den Kopf. Seit sie mit diesem, wie heißt er noch mal?«
»David Behring.«
»Genau der. Seit sie mit diesem David zusammenkam, haben wir uns nicht wieder gesehen. Als ich dann erfuhr, dass sie ihn heiraten würde, rastete ich beinahe aus. Sechs meiner Lieblingsbilder mussten daran glauben. Ich hegte immer noch die Hoffnung, sie würde entdecken, welch ein spießiger Trottel dieser blöde betuchte Heini doch war, und dass sie nur mit mir das wahre Leben entdecken könnte. Aber anscheinend irrte ich mich. Dann wurde mir klar, dass ich endgültig verloren hatte. Sie würde nicht mehr zu mir zurückkehren.«
» Und dann fassten Sie den Entschluss, auf die Hochzeit zu gehen und ihr einen Denkzettel zu verpassen?«
» Natürlich nicht! Sie sollte nur wissen, dass ich noch existiere, dass ich für sie da bin, egal ob sie jetzt verheiratet ist oder nicht.«
» Natalies Gesichtsausdruck nach zu urteilen, haben Sie sie eher erschreckt oder erbost als freudig überrascht.«
»Das wollte ich aber nicht, glauben Sie mir.«
»Es liegt nicht an mir, Ihnen zu glauben. Da müssen Sie schon die Polizei überzeugen und das geht am besten, wenn sie einen brauchbaren Hinweis bekommen. Haben Sie irgendwas gesehen, was Ihnen seltsam vorkam, während Sie im Hotel waren? Wo waren Sie überhaupt die ganze Zeit? Sie waren ja erst nach der Trauung da. Und dann habe ich Sie auch nach dem Dinner, kurz bevor Natalie ihren Strauß warf, noch am Fenster gesehen. Haben Sie sich die ganze Zeit versteckt?«
» Ich wollte ihr nur unser Lied vorspielen, dann verließ ich das Hotel. Um meinen Kummer zu ertrinken, begab ich mich zur nächsten Kneipe. Tief im Mitleid versunken, kam mir dann irgendwann die Idee Natalie noch einmal zu sehen. Daher schwankte ich erneut zum Hotel und erhaschte einen letzten Blick durch das Fenster hinein, gerade als sie dabei war, die Party zu eröffnen.«
»Und in der Kneipe wird man Ihre Angaben bestätigen?«
»Ja. Fragen Sie ruhig die Wirtin. Sie hat mich sogar versucht zu trösten und gab mir Tipps gegen Liebeskummer.«
»Und haben Sie im Hotel etwas beobachtet, was Ihnen merkwürdig vorkam?«
Tim schüttelte den Kopf. »Ich war ja nur kurz da und später, am Fenster, hatte ich nur Augen für Natalie, tut mir leid.«
» Ich hoffe für Sie, dass Sie die Wahrheit sagen, sonst ...«
»Was ist jetzt mit der Po lizei? Muss ich mich, jetzt wo ich Ihnen alles erzählt habe, trotzdem stellen?«
»W arten Sie lieber, bis ich mit dem Kommissar geredet habe. Ich melde mich dann bei Ihnen.« Ich kramte aus meiner Handtasche eine meiner Visitenkarten heraus und übergab sie ihm. »Falls Ihnen doch noch etwas einfallen sollte, können Sie mich jederzeit anrufen. Übrigens, wohnen Sie hier?«
Tim lächelte: »Nein, das hier ist nur mein Atelier.«
Irgendwie war ich erleichtert. Während er mich zur Tür begleitete, dachte ich nur daran, dass der arme Kerl es nicht verdient hätte, in so einer nach Farbe und Terpentin riechenden Bruchbude leben zu müssen.
Freitag
Hannah Kraft wohnte in einem Jugendstilaltbau in einer ruhigen Straße nahe dem Savignyplatz. Die Fassade war erst kürzlich renoviert worden. Die helle Farbe strahlte noch und keiner der unzähligen Graffitimaler hatte die Wand mit seiner Unterschrift entjungfert. Ihr Name,
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