Blütenrausch (German Edition)
eingraviert auf einem Klingelschild aus Messing, stand an oberster Stelle, was darauf hindeutete, dass ihre Wohnung sich im letzten Stock befand.
Eigentlich wollte ich Natalies Freundin ja schon gestern einen Besuch abstatten, aber nachdem ich Tims Atelier verlassen hatte, rief mich eine verärgerte Braut an, die keinen meiner Fotografenvorschläge für gut befand, und stellte mir ein Ultimatum: Sollte ich ihr heute nicht einen neuen Vorschlag unterbreiten, würde sie meine Dienste kündigen. Am liebsten hätte ich die Frau zum Teufel geschickt, doch leider gehörte sie zur Berliner Prominenz und ich konnte mir keine schlechte Werbung leisten. Ich sperrte mich also wieder im Büro ein und telefonierte mir die Finger wund, bis ich schließlich einen Münchner Fotografen fand, der nicht nur zufälligerweise an dem Hochzeitstermin noch frei war, sondern von meiner unangenehmen Kundin auch noch als akzeptabel empfunden wurde.
Ich holte tief Luft und klingelte. So langsam fühlte ich mich wie eine Vertreterin für Haustürgeschäfte: Fast immer kam ich unangekündigt und wusste nie, ob man mir meine nächste erfundene Geschichte abkaufen würde. Keine Reaktion. Ich versuchte es noch mal, ließ meinen Finger länger auf der Klinge. Wieder nichts. Als ich schon aufgeben wollte, hörte ich plötzlich eine müde Stimme fragen: »Ja, bitte?«
» Guten Tag, Frau Kraft, mein Name ist Trautheim, ich war die Hochzeitsplanerin von Frau Behring. Kann ich kurz hochkommen?« Keine Reaktion. »Hallo? Frau Kraft?« Wieder keine Reaktion.
Eine Weile stand ich regungslos da, doch dann: »Kommen Sie hoch.«
Die schwere Haustür öffnete sich und ich ging hinein. Ich wollte gerade die Treppen nehmen, als mich überraschenderweise ein Aufzug anlächelte. Der Lift war etwas klapprig und bewegte sich wie ein alter Herr, aber ich kam heil und ohne zu schnaufen im fünften Stock an. Dort befanden sich zwei Wohnungen. Hannah Krafts Tür stand einen Spaltbreit offen. Von ihr war nichts zu sehen.
» Kann ich reinkommen?«, rief ich von der Türschwelle aus.
» Machen Sie hinter sich zu«, bekam ich als Antwort aus einem der Zimmer, die von dem langen Flur ab gingen.
Angesicht des edlen dunklen Parketts, das vor mir lag, als ich die Tür ganz öffnete, putzte ich pflichtbewusster als sonst die Sohlen meiner Schuhe auf der Fußmatte vor dem Eingang, dann trat ich ein und schloss hinter mir die Tür.
Soweit ich es erkennen konnte, war es eine große Woh nung. Den weiten Flur entlang standen einige antike Möbelstücke sowie ein großer asiatischer Spiegel. An den Wänden zwischen den Türen hingen Schwarzweißporträts und ein paar abstrakte Bilder.
»Kommen Sie doch bitte her, ich bin hier«, hörte ich eine heisere Stimme a us dem letzten Zimmer des Flurs rufen.
Ich folgte augenblicklich den Anweisungen der angeschlagenen Frauenstimme und befand mich ein paar Sekunden später in einem Wohnzimmer, das mit Sicherheit schon als Vorlage mehrerer Einrichtungszeitschriften gedient hatte. Zwangsläufig musste ich an meine kleine spärlich eingerichtete Wohnung denken. Sie hatte zwar alles, was ich brauchte, und ein paar schöne Familienerbstücke standen auch herum, aber sie war eben nur ein Ort, an dem man tagtäglich lebte. Diese Wohnung hingegen sah aus wie eine Galerie. Eine Galerie, in der jedes Stück einzigartig und nicht zum Anfassen gedacht war.
Eine antike filigrane Standuhr d ekorierte die Wand zwischen zwei Fensterfronten. Als Kontrast stand auf der rechten Wand ein Regal, das vielen Kunstbüchern einen Platz zum Verweilen bot. Daneben stand eine edle Glasvitrine mit einer Sammlung Bronzefiguren, die mindestens so viel kosteten wie mein Auto, wenn man es neu kauft. Auf der gegenüberliegenden Seite hing ein Bild, das fast so breit und lang war wie die Wand selbst. Es zeigte einen Affen, der in inniger Umarmung mit einer Frau beinahe mit ihr verschmolz. Sie waren mitten in einer Landschaft aus Ananasplantagen, und statt Vögel flogen Bücher, Autos, Puppen, eine Musikbox und sogar ein Fernseher durch die Luft. Ich kenne mich mit angesagter Kunst nicht so gut aus, aber dieses Bild gehörte mit Sicherheit dazu.
Mitten im Raum, auf einem plüschigen grünen Sofa, das ein Vermöge n gekostet haben muss, lag Hannah Kraft bis zum Kinn zugedeckt und zitterte.
» Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte ich erschrocken, als ich mich ihr vorsichtig näherte.
» Es ist nur eine Grippe. Es wird schon wieder.«
Trotz ihrer geröteten Nase, der
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