Blütenzauber und Liebeswunder: Roman (German Edition)
Pflastersteine zu kippen.
Der Engel, dachte Cherish, nachdem sie sich ihn am Vortag genau angesehen hatte, sah dem Fernsehmoderator Bruce Forsyth wirklich sehr ähnlich. Sie war sich nicht sicher, ob die Grundschulkinder das beabsichtigt hatten. Aber sie lächelte ihm dennoch zu. Sie hatte Brucie immer gern gemocht.
Mehrere andere Leute gesellten sich an der Bushaltestelle zu ihr. Alle vermieden es, einander anzusehen. Cherish machte das nichts aus. Sie hatte nicht das Bedürfnis, sich mit jemandem zu unterhalten. Ihr Leben entwickelte sich wirklich ganz hervorragend, vielen Dank auch.
Jetzt fürchtete sie sich nicht einmal mehr vor Weihnachten. Frankie hatte gesagt, sie führe nach Hause, um Weihnachten mit ihrer Familie zu verbringen, und die Boutique bliebe drei Tage lang geschlossen: am Weihnachtstag, am Boxing Day und am Tag danach. Dann würde sie wieder aufmachen, denn vielleicht gäbe es ja einen Andrang von Kundinnen, die ein schönes Kleid für den Silvesterabend suchten. Ob ihr das recht sei, oder ob Cherish lieber die ganze Woche freinehmen und erst im neuen Jahr wiederkommen wolle?
Cherish, die sich schon gefragt hatte, wie in aller Welt sie diese grauenhaft einsamen Tage füllen sollte, wenn das ganze Leben stillzustehen schien und alle anderen offenbar in hektische Familienfestlichkeiten abtauchten, hatte gesagt, mit drei Tagen sei sie vollkommen zufrieden.
Drei Tage allein im Bungalow würde sie überstehen. Nur sie und das Radio und der Fernseher.
Sie musste keine Geschenke kaufen – nun, lange Zeit hatte sie für Biddy welche gekauft, wie auch Biddy für sie, hauptsächlich Badeperlen oder Taschentücher, aber vor einigen Jahren war ihnen klar geworden, dass keine von ihnen eigentlich Wert darauf legte, und sie hatten damit aufgehört – und so erwartete sie auch keine. Ihre Weihnachtskarten, ohnehin nicht viele, waren schon vor zwei Wochen geschrieben und aufgegeben worden. Und ihr Weihnachtsessen – eine Auswahl von Hühnchen-Portionsteilen – befand sich bereits im Eisfach des Kühlschranks, ebenso ein Plumpudding für eine Person von Big Sava im Vorratsschrank. Dazu würde sie sich ein Glas Sherry genehmigen, aus der Flasche, die schon seit der Jahrtausendwende im Wohnzimmerschrank stand, und vielleicht verwöhnte sie sich mit einer kleinen Schachtel Schokoladenkekse zum Eintunken, während sie sich die Sammlerausgabe ihrer Lieblingsseifenopern ansah.
Die Hühnchenteile könnte man am zweiten Feiertag mit Brot und Butter auch gut kalt essen, und am dritten Tag gäbe es dann die Reste mit einer Dose gebackene Bohnen.
Cherish nickte zufrieden vor sich hin. Für Weihnachten war alles organisiert.
Von dem Bus war noch immer nichts zu sehen, und inzwischen stampften die Leute mit den Füßen und murrten laut. Cherish kuschelte sich tiefer in ihren Mantel und schaute zum Himmel empor. Bleigrau, wie er war, sah es wirklich so aus, als würde es über kurz oder lang Schnee geben.
Cherish wollte es nicht hoffen. Eigentlich liebte sie Schnee, weil er den langweiligen Ausblick aus den Fenstern des Bungalows veränderte und sie noch immer kindliche Freude dabei empfand, wenn sie die Schneeflocken tanzen und umherwirbeln sah. Aber wenn es stark schneite, würden die Straßen vielleicht blockiert und die Busse nicht fahren, und dann könnte sie womöglich nicht zur Arbeit gehen …
Zur Arbeit gehen …
Sie ließ sich die Worte noch einmal auf der Zunge zergehen. Wie wunderbar das doch klang!
»Ahoi!«, rief jemand von der Straße her.
Cherish achtete nicht darauf. Ihr rief nie jemand fröhlich zu. Es musste einem der anderen Wartenden in der immer länger werdenden Schlange an der Bushaltestelle gelten.
»Ahoi! Willst du mitfahren?«
Cherish sah sich interessiert zu den anderen in der Warteschlange um und überlegte, wer von den frierenden Fahrgästen wohl der Glückspilz wäre, der aus dem eisigen Wind gewunken wurde. Keiner rührte sich.
»Cherish, altes Mädchen!«, erklang wieder die Stimme. »Hast wohl den Kopf in den Wolken, oder was?«
Cherish drehte den Kopf und erkannte ungläubig blinzelnd den Kebabwagen.
»Na also!« Brian öffnete die Beifahrertür und strahlte sie vom Fahrersitz her an. »Du warst wohl Meilen weit weg, was? Komm schon, Kleines. Spring rein. Ich fahr nach Hazy Hassocks. Komm direkt an deiner Haustür vorbei.«
Cherish zögerte einen Moment. Der Kebabwagen – von Brian liebevoll, wenn auch laienhaft beschriftet – wäre normalerweise nicht das
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