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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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wies auf eine dritte Frau im Hintergrund. Jetzt schossen Tränen ein, sie konnte nichts dagegen tun.
    Die junge Frau auf dem Bild schaute mit Liebe auf das Kind, mit einem Lächeln um den Mund, das kaum zu sehen war.
    »Du wirst fragen, woher ich die Abzüge habe. Meine Schwester hat sie mir geschickt, als du schon bei ihr lebtest. In den Briefen liest sie mir tüchtig die Leviten. Ich war dumm und eingebildet. Auch darauf bin ich nicht sehr stolz.«

    Die zweite Fotografie zeigte die Mutter, wie sie alleine, an eine Weizengarbe gelehnt, auf einem leeren Feld saß. Die Hände hatte sie vor die hochgezogenen Knie gefaltet. Sie trug ein langes, helles Sommerkleid. Das Lächeln schien gebrochen, die Sonne blendete. Das Bild strahlte etwas Trauriges aus. Im Hintergrund sah man nichts als andere Garben, dann ein weiteres ausgedehntes Feld mit einem leeren Horizont, der das Foto teilte. Am linken Bildrand sah man dunkle Punkte, vielleicht Häuser oder Bäume, so alleine und verlassen wie die Mutter.
    Auf dem dritten Abzug stand die Mutter zusammen mit anderen Leuten auf einem Leiterwagen. Auch hier blendete die Sonne offenbar. Dennoch war das Lächeln offener und zugewandter.
    Die letzte Fotografie bildete dieselbe fremde Frau ab, die Mutter, wie sie auf einer Bank vor einer Hausfassade aus groben Quadern sitzt, womöglich in Berlin. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, die Hände lagen übereinandergelegt auf dem Knie. Der Kopf war leicht geneigt. Das Lächeln wirkte angestrengt und aufgesetzt. Sie trug ein hochgeschlossenes, grob gemustertes, leichtes Kleid, über dem sich ein zweites aus dünnem, durchsichtigem Gewebe befand, das vorne an den Beinen ein Stück offen war. Auf ihrem gewellten Haar trug sie eine Art Haube, mit einer vorne gespaltenen breiten Krempe, unter der ein helles, drei Finger breites Band umlief. Neben ihr auf der Bank lag eine kleine, schwarze Tasche.
    Reni weinte jetzt unverhohlen, bat um Entschuldigung.
    Der Graf schüttelte den Kopf und bedeutete, dass er Verständnis habe. Reni schaute lange auf die Bilder. Die Frau, die ihre Mutter war, schien plötzlich nah und wurde wieder fortgerissen.

    »Du hast gar nicht deinen Tee getrunken«, sagte der Graf.
    Sie nahm die Tasse und führte sie zum Mund. Es roch nach Gras. Der Tee war noch warm und schmeckte strenger, als er roch. Die Farbe war wie Honig.
    »Erzähl mir etwas von dir«, setzte der Graf hinzu.
    Noch vor ein paar Minuten hätte Reni sich geweigert. Sie wäre ausgewichen oder hätte ihn belogen.
    »Ihre liebe Schwester hat mich sehr gemocht, Herr Graf«, sagte sie, auf jedes ihrer Worte achtend. »Ich verstehe nun auch, warum sie nie so tun konnte, als sei sie meine Mutter. Sie waren vielleicht Freundinnen gewesen, als ich ganz klein war.«
    Er widersprach ihr nicht.
    »Ihren Namen hat sie nie erwähnt, auch nicht das Gut Haardt.«
    Er blickte zu den Fenstern. »Wie du sicher merkst, fällt es mir nicht leicht, über diese Dinge zu sprechen. Ich versuche, gerecht zu sein: mit Magdalena, mit Charlotte, also deiner Mutter, und natürlich auch mit dir. Vielleicht zu spät, was meinst du?« Er sah sie fragend an.
    »Ich habe mir Eltern ausgedacht«, antwortete sie. »Zuerst waren sie Hotelbesitzer in Berlin. Da fuhren Könige und Fürsten in goldenen Wagen vor und wohnten in prächtigen Zimmern, von deren Fenstern aus man über die Stadt blickt. Minister, Bankiers und Fabrikanten, alle kannten meinen Vater und verehrten meine Mutter, weil sie die schönste Frau weit und breit war. Alle Gattinnen waren eifersüchtig.«
    Der Graf lächelte. »Wie wahr.«
    Er stand auf, nahm beide Tassen und holte Tee. Erst jetzt sah Reni, dass auf dem runden Tisch neben der Tür ein Samowar stand. Von ihm ging der leise, hohe Singsang aus, über den sie sich bereits gewundert hatte.

    »Dann wurde mein Vater Diplomat und reiste um die Welt. Meine Mutter war eine berühmte Opernsängerin. Am schönsten sang sie ein paar Lieder, die uns eine Erzieherin in Haus Ulmengrund auf einem entliehenen Grammofon vorgespielt hat.«
    »Dafür habe ich gesorgt«, sagte der Graf. »Das Grammofon gehört einer guten Freundin in Berlin, Gräfin Viktoria von Dirksen*. Du wirst sie kennen- und mögen lernen, Reni. Sie ist ein so liebenswerter Mensch.«
    »Es waren die Kindertotenlieder *, die wir hörten«, sagte sie. »Ich musste immer weinen.«
    Der Graf trank seinen Tee. Mein Vater , dachte sie, und es versetzte ihr einen freudigen Stich.
    »Fräulein Knesebeck hat mir

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