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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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nicht kalt?«
    Sie reagierte nicht.
    Waltraut zog eine gefaltete Decke heran, die am Bettende lag, und breitete sie über Monika aus.
    »Willst du mir erzählen, was vorgefallen ist?«
    Sie wartete.
    »Es ist doch was passiert, nicht wahr?«
    Monika bewegte sich.
    Waltraut sagte: »Ich weiß auch nicht, warum niemand bereit war, das zu merken, weder die Polizisten noch Frau Misera.« Sie legte eine Hand auf die Decke, dorthin, wo Monikas Schulter war. »Ich frage mich, ob sie alle vor irgendetwas Angst haben.«
    Sie geduldete sich weiter.
    »Angst vor etwas, dem sie nicht begegnen möchten. Etwas oder jemand soll im Dunkeln bleiben. Kann das sein?«
    Das Mädel zuckte die Achseln. Das Zucken war so schwach, dass Waltraut es nicht sah, sie fühlte es mit ihrer Hand.
    »Du kannst mir glauben, ich lasse dich ganz bestimmt in Frieden, wenn du es nicht sagen willst … Vielleicht nickst du
einfach nur, wenn es stimmt, dass etwas passiert ist.« Waltraut beugte sich vor, um ihr Gesicht zu sehen.
    Es dauerte ein wenig. Dann nickte Monika.
    »Ist es etwas sehr Schlimmes?« Waltraut streichelte ihr Haar. Das Mädel nickte wieder. »Etwas ganz besonders Schreckliches?«
    Monika wälzte sich plötzlich herum und vergrub sich weinend in Waltrauts Armen, die das Mädchen weiter streichelten.
    »Ich nehme dich mit zu mir nach unten«, flüsterte sie. »Hier oben ist es viel zu kalt und einsam.«
    Monika nickte heftig, weinte weiter und hielt Waltraut fest, als würde sie in einem Moor versinken. Waltraut wiegte sie und machte leise, beruhigende Geräusche. Sie half ihr auf die Beine und führte sie zur Tür. Dort schaltete sie das Zimmerlicht aus und die Flurbeleuchtung ein, dann gingen sie zur Treppe.
    Als sie unten angelangt waren und gerade an dem Krankenzimmer vorüberkamen, hörten sie Geräusche. Waltraut glaubte für einen Augenblick, sie kämen aus dem Zimmer, in dem Friederike lag. Plötzlich sah sie einen Umriss.
    »Fräulein Knesebeck!« Es war Frau Misera.
    Waltraut verteidigte sich sofort. »Das Kind ist krank vor Angst.« Sie merkte, wie ihre Stimme fast versagte.
    Weiter hinten im Flur öffneten sich Türen. Die anderen Erzieherinnen kamen aus den Zimmern.
    »Fräulein Kaul«, rief die Misera, »bitte helfen Sie uns mit dem Mädel. Es fühlt sich nicht wohl. Nun stehen Sie nicht so herum und hören Sie auf zu gaffen! Helfen Sie gefälligst!«
    Die Tür des Krankenzimmers wurde geöffnet. Reni trat auf den Flur. Sie hatte ein Tuch in der Hand. »Frau Misera, Friederike
hustet ganz schlimm …« Dann passierte alles so geschwind, dass Waltraut sich nicht wehren konnte.
    »Ach, Reni, Liebes!«, sagte die Leiterin. »Fräulein Knesebeck ist so freundlich und löst dich bei deiner Krankenwache ab. Vielleicht kann sich die arme Monika bei dir unterhaken, ihr habt doch Vertrauen zueinander. Die Damen helfen euch … Fräulein Kaul, Fräulein Papen, was ist denn nun?«
    Waltraut übergab Monika an Reni. Es hatte etwas Ordnungsgemäßes. Reni legte ihren Arm um sie. Die beiden Erzieherinnen kamen her und flankierten die beiden Mädchen. Reni lächelte. Sie gingen in den Flur.
    Die Misera sagte überraschend freundlich: »Hier, bitte sehr.« Sie zeigte in das offene Zimmer, in dem Friederike lag. Waltraut trat durch die Tür an das Krankenbett. Friedel schien zu schlafen.
    Die Misera behielt die Klinke in der Hand. Auf dem Flur wurden die Geräusche leiser. »Was Sie sich soeben herausgenommen haben, Fräulein Knesebeck, übertrifft alle Erfah rungen, die ich in meiner beruflichen Laufbahn gemacht habe. Sie haben sich über meine Anordnungen mit einer Unverfrorenheit, Hinterlist und Frechheit hinweggesetzt, dass es mir geradezu die Sprache verschlägt. Für die Konsequenzen werde ich umgehend noch heute Nacht sorgen. Sie werden das Haus verlassen.« Damit drehte sie sich um, zog die Zimmertür zu. Waltraut hörte, wie sie draußen abschloss. Sie war nah daran hinzuspringen und gegen die Tür zu schlagen.
    »Hat sie uns eingeschlossen?«, fragte Friederike leise.
    »Du bist ja wach. Wie geht es dir?«
    »Ach«, machte das Mädchen fast unhörbar.
    Waltraut musste lachen. »Eigentlich gibt es überhaupt nichts zu lachen, aber auch gar nichts.«

    »Alles ist verhext«, bestätigte Friederike erschöpft und hustete. Der Husten klang bedenklich.
    »Wir sitzen offenbar im Privatgefängnis von Frau Misera.« Waltraut musste wieder lachen. Sie setzte sich auf den Bettrand. »Habe ich dir schon mal erzählt, dass ich einen Mann

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