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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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getäuscht!«
    »Ja, ja!«, schrie er. Er nahm eine enge Kurve, die Reifen schmissen Sand zur Seite.
    Waltraut musste ihre Angst bezwingen. Bloß nicht solche Blöße zeigen! Die Hügel zogen vorbei. Eigentlich war es kein schlechtes Gefühl. Man saß sehr tief am Boden; die Erde raste links und rechts vorbei. In den Kurven neigte sie sich mit zur Seite, um ihr Gewicht der Fliehkraft entgegenzusetzen.
    Korff rief: »Ich muss Ihnen doch nichts vom Krieg erzählen, als Tochter Ihres Vaters. Ich selbst war ja schon dreißig, als es losging, aber ich habe viele gesehen, die zu uns auf das U-Boot kamen und nicht viel älter als der Bengel waren. Nach zwei Fahrten haben die nicht mehr gekotzt, wenn die Alarmglocke den ganzen Kahn zum Wackeln brachte.« Er bremste, weil eine neue Kurve kam. »Das ist nämlich auch eine Erziehung, Fräulein Knesebeck!«
    Waltraut ärgerte sich. Leider war es unmöglich, sich die
Ohren zuzuhalten, sonst hätte sie es jetzt getan – so deutlich, dass Korff es sehen würde. Selbst wenn es stimmte, was er sagte, musste es ihr schließlich nicht gefallen.
    »Mir gefällt nicht, was Sie sagen!«, schrie sie.
    Korff zuckte mit den Schultern. Für den Rest der Fahrt schwieg er. Als sie fast angekommen waren, rief er: »Mir gefällt es, wie Sie denken und dass Sie ehrlich sind. Wenn der Herr Graf klug ist, wird es ihm auch gefallen.«
     
    Gut Haardt wirkte aus der Entfernung größer, als es wirklich war. Waltraut erinnerte sich an ihren ersten Besuch mit Frau Misera. Die schmale Zufahrtsstraße fiel über eine lange Kurve in ein flaches Tal, dessen Grund von einem Bach geteilt wurde. Vor dem Gut floss er in einen Teich, an dessen Ufern grün gestrichene Bänke standen. Es gab Schilf und Wasserrosen. Dahinter stand ein hüfthoher Lattenzaun, teils von hohen Büschen überwachsen. Auf den Wiesen hockten Enten. Zwischen Wirtschaftshof und Wohnhaus lag der schönste Obst- und Küchengarten, den Waltraut je gesehen hatte.
    Korff wurde langsamer. Der Fahrtwind nahm ab, die milde Sommerluft war angenehmer im Gesicht.
    Das Motorenknattern wurde von den Hofmauern zurückgeworfen, flog ins Tal hinaus, und Waltraut hörte noch das Echo, als Korff den Motor schon gedrosselt hatte und das Geräusch mit einem letzten scharfen Knall erstarb. Hundegebell blieb übrig, erschrecktes Blöken aus den Stallungen. Ein Mann in Lodenjacke und klobigen Schuhen trat aus einer Tür. Er grüßte nicht. Korff half Waltraut beim Aussteigen.
    Als sie neben dem Beiwagen stand, fuhr sie sich durchs Haar. »Ich möchte gerne den Herrn Grafen Haardt sprechen.«

    »Der Herr Graf ist außer Haus.«
    Natürlich hatte Waltraut daran gedacht, dass sie den Weg vielleicht vergebens machten. Einen Moment fühlte sie Erleichterung, weil nun die Furcht verflog, die versteckt in ihr gelauert hatte. Dann sagte sie: »Darf ich fragen, wann er wiederkommt?«
    »Das weiß man nicht.«
    Ihr Mut brach ein. Zugleich stieg Ärger in ihr hoch. Sie wollte nicht verzagen. Sie holte Luft, um sich zur Wehr zu setzen, formte schon die Worte vor. Da sagte Korff: »Sie sind der Fahrer des Herrn Grafen oder nicht?«
    Der Mann nickte.
    »Hören Sie«, fuhr Korff fort, »das Fräulein Knesebeck hier ist die Erzieherin der Tochter des Herrn Grafen, der Komtesse. Ich glaube, der Herr Graf legt großen Wert darauf, die Dame zu empfangen. Wenn wir aber einen neuen Termin brauchen, weil Sie uns fortschicken, sehen wir das ein.«
    Der Mann verlor die Farbe, machte aber einen festen Mund. »Ich kenne Sie nicht, mein Herr, und auch die Dame ist mir unbekannt.« Er schien zu überlegen. Dann sagte er: »Wenn Sie wünschen, gehe ich ins Haus und frage die Hausdame.«
    »Das wünschen wir«, erklärte Korff. »Danke für die Mühe jedenfalls.«
    Der Fahrer stapfte los. Die Kiesel knirschten unter seinen Sohlen. Waltraut liebte das Geräusch.
    Als der Mann fort war, fragte Korff: »Haben Sie überlegt, was Sie ihm sagen werden? Er ist Politiker, vergessen Sie das nicht.«
    »Er ist in erster Linie Graf und Vater, dachte ich.«
    »In diesen Zeiten?«
    Waltraut hätte fast gelacht.

    Korff sagte: »Ich wünsche sehr, dass Sie den Vater in ihm finden. Vor allem wünsche ich es Reni.«
    »Fräulein Knesebeck! Fräulein Knesebeck!«
    Waltraut hatte sehr gehofft, dass Reni auf dem Gut war. Reni rannte auf sie zu, die goldenen Zöpfe flogen in der Sonne, der Boden staubte. Waltraut fing sie auf, sie drehten sich.
    »Das ist so schön, dass Sie mich besuchen kommen. Wo sind Sie

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