Blumen Für Sein Grab
Nasebys Gehilfin. Das Sonnenlicht glitzerte auf ihrem goldenen Nasenstecker, und ihr Mund stand leicht offen. Sie pflückte ununterbrochen Strähnen ihres vom Wind zerzausten krausen Haars aus den Augen. Meredith fragte sich, wer in der Zwischenzeit an der Kasse im Mini-Mart stand. Vielleicht hatte das Mädchen den Laden einfach abgeschlossen und war für zehn Minuten hergekommen, um zu sehen, was hier geschah. In Church Lynstone gab es sonst nicht viel zu sehen. Wie sich herausstellte, war eine Person erschienen, die nicht im Dorf wohnte. Als sie ihre Plätze hinter dem Sarg einnahmen, erschien ein Mann mittleren Alters hinter einem Grabstein und schoss rasch ein Foto. Dann kletterte er über die niedrige Mauer, stieg auf ein Motorrad, das Meredith bis zu diesem Augenblick nicht bemerkt hatte, setzte sich einen Sturzhelm auf und donnerte über die Straße davon. Alles ging so schnell, dass keiner rechtzeitig reagierte, um es zu verhindern. Wütend murmelte Markby:
»Die Presse! Ich wünschte, ich hätte ihn rechtzeitig bemerkt.«
»Keine Sorge«, sagte der weltgewandte Hawkins.
»Es war doch nur einer. Der Ärger fängt erst an, wenn sie in Rudeln jagen.«
»Tut mir wirklich Leid«, flüsterte Meredith Rachel zu.
»Spielt keine Rolle«, entgegnete Rachel hart.
»Er ist ja weg.« Meredith fragte sich, ob sie den Fotografen gemeint hatte oder Alex. Die Sargträger setzten sich mit ihrer Last in Bewegung, und Rachel folgte ihnen in Richtung Kircheneingang, während sich die Dorfbewohner zu beiden Seiten in respektvolle Entfernung zurückzogen, um den Sarg und die Trauergäste passieren zu lassen. Das Innere der Kirche war viel hübscher, als Meredith von dem kurzen Blick durchs Fenster in Erinnerung hatte. Betkissen ließen vermuten, dass der Frauenverein hart gearbeitet hatte. Viele fleißige Hände hatten die Messingstatuen an den Wänden poliert, bis sie wie Gold glänzten. Der Küster spielte seine Orgel unsichtbar und leise auf seiner Empore. Rachel, Meredith und Markby nahmen nebeneinander in der ersten Reihe Platz als die
»Familie« des Verstorbenen. Meredith empfand mehr Mitgefühl für Rachel denn je seit Alex’ Tod. Eine ehemalige Schulfreundin und ein Exehemann waren nur ein schwacher Ersatz für eine Schar von Verwandten. Markby hatte den Hut in der Kirche abgesetzt und auf die Bank zwischen sich und Meredith gelegt. Sie musste an Tristan denken, der sein Schwert zwischen sich und die schlafende Isolde gelegt hatte. Ein Symbol, dazu gedacht zu täuschen. Sie blickte verstohlen über die Schulter. Die kleine Kirche füllte sich rasch. Sie erkannte die beiden älteren Männer aus der Hotelbar, jeder nun in Begleitung einer dicken Ehefrau. Es gab mehrere andere Paare ähnlicher Erscheinungsform. Das müssen die Nachbarn sein, dachte Meredith, die in den anderen großen, abgeschiedenen, getrennt voneinander stehenden Häusern von Lynstone wohnen. Auch Troughton war da, begleitet von Mavis Tyrrell, die einen abgetragenen schwarzen Mantel anhatte und einen glänzenden schwarzen Strohhut auf dem Kopf. Die schwer zu fassende Mrs. Troughton war nicht aufgetaucht. Schade eigentlich, weil Meredith zu gerne herausgefunden hätte, ob sie die fremde Frau war, die sie am Abend ihrer Ankunft in der Auffahrt gesehen hatte. Allerdings war eine unbekannte junge Frau mit schulterlangem rötlichen Haar und einer grünen Jacke erschienen, und wie es aussah, war sie allein. Meredith fragte sich, wer sie war. Während Meredith noch zu ihr hinüberblickte, kam Nevil James zur Tür herein und nahm irgendwo hinten Platz. Er bemerkte Merediths Blick und erwiderte ihn herausfordernd. Meredith sah wieder nach vorn. Es würde interessant werden herauszufinden, ob der junge Nevil auch den Nerv besaß, sich nach der Beerdigung in Malefis Abbey beim Leichenschmaus zu zeigen. Ein Hauch von Parfüm drang an Merediths Nase. Rachel hatte ein Taschentuch hervorgezogen. Alan legte der Witwe in einer Geste, die ihn wahrscheinlich genauso sehr überraschte wie jeden anderen Anwesenden auch, den Arm um die Schultern und murmelte tröstend:
»Halt durch, Rachel. Es ist bald vorbei.«
Sie ließen den kurzen Gottesdienst über sich ergehen und sangen Henry Francis Lytes Abide with Me, die sicherlich traurigste Kirchenhymne, die je geschrieben worden war.
Hinterher, draußen auf dem Friedhof, versammelten sie sich vor dem frisch ausgehobenen Grab, um auf den Sarg zu warten. Der Erdhügel neben dem Grab war mit einer Matte bedeckt, die aussah
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