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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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wurde neben Habred begraben,weil der Woiwode es so befohlen hatte. Oder vielleicht wollte der deutsche Doktor es so. Nachdem sie die gefrorene Erde zu einem Hügel aufgehäuft hatten, bedeutete ihnen der Woiwode, nicht herumzubrüllen, zu schweigen, das Maul zu halten, und sie verstummten und konnten das Zwiegespräch tatsächlich hören.
    Gebt mir Geld!, schrie Habred der Wahrhaftige in der Tiefe der Erde.
    Gebt mir Geld, antwortete Gilagóg in der Tiefe.
    Gebt mir Geld, schrie Habred.
    Gebt mir Geld, antwortete Gilagóg.
    Der Woiwode nickte, geht Zigeuner, musiziert, hämmert, flickt, verkauft und kauft Pferde, Ferkel, Hühner, Kessel und altes Eisen, spielt auf, lügt die Zukunft, werft das Los, schreibt Gedichte, doch vergesst diejenigen nicht, die in ihrem ganzen Leben nur einen einzigen Satz gekonnt haben. Und diesen einzigen Satz immerfort wiederholten, bis zu ihrem Tod.

Der Gärtner des Nichts

In Freiheit
    Am 24. Mai des Jahres 1857 fuhr eine geschmückte Dampflokomotive mit ein, zwei Waggons rauchspeiend in den Bahnhof von Szeged ein. Auf dem Bahnsteig schwenkte ein Eisenbahner mit Schärpe die Fahne, ein Horn schmetterte, Tschinellen schlugen zusammen, der Bürgermeister der Stadt drückte die Brust heraus und ging auf den Kaiser zu, der soeben aus dem Zug stieg. Doch bei dem Herrscher angelangt stutzte er, auf dem kaiserlichen Schnurrbart hatte sich eine Fliege breitgemacht. Der Bürgermeister versuchte sie vorsichtig zu verscheuchen, die Fliege flog gelangweilt weiter. Das Empfangskomitee hatte alles bis ins kleinste Detail geplant, jetzt konnte nichts mehr schiefgehen.
    Im Morgengrauen dieses großen Tages war eine Gruppe einheimischer Herrschaften zur Jagd aufgebrochen. Im dunstigen Dämmerschein zogen Bauern und Hirten an den Herren vorbei. Viele hatten sich schon in der Nacht auf den Weg gemacht, um noch einen Platz neben dem Geleise zu ergattern, das den Zug des Kaisers an ihnen vorbei in die Stadt leiten würde. Wenn sie Glück hatten, konnten sie Seine Majestät sehen und einen Blick auf die Kaiserin werfen, deren Schönheit den Vergleich mit Maria nicht zu scheuen brauchte. Ein noch größeres Glück wäre es, würde das Herrscherpaar sie bemerken und ihnen zuwinken. Die Jäger würdigten die blumengeschmückten Wagen keines Blickes, sie spuckten aus, als die Bauern an ihnen vorbeifuhren.
    Ihre kaiserliche und königliche Hoheit Franz Joseph und Imre Schön trafen zur gleichen Zeit in der Stadt ein. In diesen Wochen wurden zahlreichen politischen Gefangenen die Ketten abgenommen, in Kufstein, Josephstadt und Olmütz öffneten sich die Kerkertore. Auch Imre kam in den Genuss der Amnestie, und seit der Termin der Freilassung feststand, traf Doktor Schütz in Szeged fieberhafte Vorbereitungen. Das Alter hatte der Lebendigkeit seiner Gedanken nichts anhaben können, er war ein aufregender und scharfer Diskutant geblieben, konnte nicht langsam gehen, nur immer hasten und war ein schwungvoller Erzähler, doch die immer wiederkehrende Kalamität, dass er tagelang das Sehvermögen verlor, hatte ihn erneut heimgesucht, einige Tage vor Imres Ankunft war er in völliger Dunkelheit erwacht. Vergeblich rieb er sich die Augen, nicht einmal die Finger, die er sich vor die Nase hielt, konnte er sehen. Was hatte er nicht alles dafür getan, um dem eingekerkerten und nun freikommenden Imre Schön einen würdigen Empfang zu bereiten! Er, Doktor Gustav Schütz, hatte das nicht verdient! Deshalb tat er ganz recht daran, sich vor sein Haus zu stellen und dem Himmel zu fluchen.
    Eine Droschke rumpelte auf der Budaer Straße Richtung Szeged, von erfahrenen Händen gelenkt, gemietet von einem Deutschen mit schriller Stimme, für so viel Geld wäre der Kutscher auch bis Belgrad gerollt. Er verstand nicht, warum, doch je näher sie Szeged kamen, um so schwerer lag ihm die Besorgnis im Magen. Eine böse Vorahnung quälte ihn, er hatte Sternschnuppen, Wolken mit Teufelsfratzen gesehen und am Grabenrand einen Pferdekadaver, schwarz vor Fliegen, und außerdem war ihnen vom Nagykörös-Fluss bis zur ersten besseren Csárda von Kecskemét ein Kauz gefolgt. Der alte Deutsche hatte ihm wiederholt die Anweisung gegeben, er solle, auch wenn sein Fahrgast, ein schweigsamer, in eine dicke Decke gehüllter Mann, ungeduldig würde, das vereinbarte Tempo unbedingt einhalten und sich nur auf die Trägheit der Pferde und unvorhergesehene Widrigkeiten hinausreden! Der Kutscher hatte Glück, der Reisende blieb die ganze Zeit über völlig

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